Deutsch-Polnischer Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis 2020
Kategorie Print
Laudatio von Robert Migdał für den Beitrag von Kaja Puto unter dem Titel „Chrystus zamiast mostu na trójstyku granic” aus „Gazeta Wyborcza” – magazyn „89”
Im diesjährigen Wettbewerb kämpften um den Deutsch-Polnischen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis in der Kategorie Print mehrere Dutzend großartige Reportagen, Gespräche und Analysen.
Meine besondere Aufmerksamkeit galt aber von Anfang an der in „Gazeta Wyborcza” veröffentlichten Reportage von Kaja Puto „Chrystus zamiast mostu na trójstyku granic” (Christus statt Brücke im Dreiländereck).
Zum Ersten ist es ein überaus inhaltsreicher Text, der das Leben im Dreigrenzeneck Polen, Deutschland und Tschechien beschreibt. Und beschrieben wird dieses Leben als kein Elogium, sondern wahrhaftig, tiefsinnig und bunt. Es werden die Vorteile, aber auch die Nachteile dieses grenznahen Lebens, des gemeinsamen Lebens von drei Völkern direkt an der Grenze dargestellt. Die Nachbarschaftshilfe, die gemeinsamen Projekte, die Verhältnisse, welche jeder Gemeinschaft zunutze kommen … - das ist aber noch nicht alles.
Die Autorin zeigt auch die Schattenseiten der polnisch-deutsch-tschechischen Beziehungen auf. Und das unter verschiedenen Aspekten des Lebens: Sei es die Politik, die Wirtschaft, die Umwelt oder die Rechtsverstöße.
Zum Zweiten: Die Helden von diesem Text. Sie sind bunt. Sie stehen für interessante Geschichten. Sie sind eine große Werteinlage zur Reportage „Christus statt Brücke im Dreigrenzeneck“.
Dieser Beitrag ist besonders und – zum Dritten – lobenswert auch wegen seiner „Verpackung“. Es ist offensichtlich, dass Kaja Puto eine erfahrene Journalistin ist, die ihre Feder hervorragend einzusetzen, die den Leser straff, Seite für Seite durch ihre Story zu führen weiß. Handwerklich ist dieses Werk grandios. Mich hat dieser Bericht sofort, als ich ihn nur zu lesen begann, gefesselt. Und, wie es sich herausstellte, es ist nicht nur mir so ergangen: Selten sind sich die polnische und die deutsche Jury, die diesen Preis verleihen, in Bezug darauf, wem in diesem Jahr der Deutsch-Polnische Journalistenpreis in der Kategorie Print zufallen soll dermaßen einig.
Frau Kaja Puto – mein bester Glückwunsch und ich warte auf Ihre nächsten Texte aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet.
RADIO
Deutsch-Polnischer Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis 2020
Kategorie Hörfunk
Laudatio von Michael Elgaβ für den Beitrag von Malgorzata Zerwe unter dem Titel „Deutschpolnischeuropäisch – Die Identitäten der Magdalena Parys”, Deutschlandfunk, Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur
In der heutigen Radiolandschaft ist der für den Deutschlandfunk produzierte diesjährige Gewinnerbeitrag eine seltene Ausnahme.
Das Hörfunk-Feature „Deutschpolnischeuropäisch – Die Identitäten der Magdalena Parys“ kombiniert in herausragender und kreativer Weise die möglichen Stilmittel des Genres virtuos zu einem Gesamtkunstwerk für die Ohren.
Der Autorin Malgorzata Zerwe gelingt es, die Zuhörenden mit einem spannenden Einstieg von der ersten Sekunde an in den Bann zu ziehen und bis zum Ende nicht mehr los zu lassen. Durch Originaltöne, zitierte Romanpassagen, atmosphärische Geräusche und dynamische Musik transportiert die Autorin den Inhalt – das 50minütige Feature kommt ganz ohne erklärende Textsteuerung aus.
Gleichwohl entstehen nicht nur ein komplexes, beziehungsreiches Hörerlebnis, sondern unmittelbar auch Bilder im Kopf.
Was zunächst wie die Rezension des Romans „Der Magier“ anmutet, wird im weiteren Verlauf darüber hinaus zu einem einfühlsamen Portrait der Schriftstellerin Magdalena Parys.
Malgorzata Zerwe begleitet die Schriftstellerin an die Handlungsorte des Romans in Berlin, die gleichzeitig biographische Schauplätze der 1984 mit ihren Eltern aus Polen eingewanderten Bestsellerautorin sind.
Die Zuhörenden tauchen im Verlauf des Features durch die zitierten Roman-Ausschnitte nicht nur in die Handlung des Buches ein, sie lernen auch die vielschichtigen, wie es im Titel heißt, „Identitäten der Magdalena Parys“ kennen.
Und so wird das Hörfunkfeature selbst zu einer eindrücklichen Geschichtsstunde - über Deutschland, Polen und Europa.
Der Deutsch-Polnische Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis 2020 in der Kategorie Hörfunk geht an Malgorzata Zerwe – herzlichen Glückwunsch!
FERNSEHEN
Deutsch-Polnischer Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis 2020
Kategorie Fernsehen
Laudatio der Jurorin Bogna Koreng für den Beitrag von Heike Bittner unter dem Titel „Gestrandet in Berlin – Polen holt obdachlose Landsleute zurück”, Mitteldeutscher Rundfunk, Redaktion Osteuropa und Dokumentationen
Szanowni państwo,
Ein gestrandeter Mensch steckt fest, er ist mit seinem Vorhaben gescheitert- und er schafft es oftmals nicht aus eigener Kraft, sich aus dem Tief zu befreien.
Die Reportage „Gestrandet in Berlin. Polen holt obdachlose Landsleute zurück“ erzählt die Schicksale einiger Gestrandeter, die wohl exemplarisch für die etwa 2 Tausend obdachlosen Polen in der deutschen Metropole stehen. Berlin soll und darf nicht die letzte Station für die Gescheiterten bleiben, sie sollen in ihre Heimat zurückkehren. Dafür sind Sozialarbeiter Wojciech und Darek unermüdlich auf Berlins Straßen unterwegs. Ein Modellprojekt der polnischen Hilfsorganisation BARKA.
In ihrer Reportage begleitet Heike Bittner beide Helfer. „Das schaffst du, du wirst gebraucht“, sind Sätze, die zu den Verzweifelten vordringen sollen.
Noch getrübt vom Alkohol sollen die Obdachlosen begreifen, dass sie als Gestrandete dennoch keine Versager sein müssen, für die es keinerlei Chance im Leben mehr gibt.
Und so versuchen Darek und Wojciech mühevoll zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Hilfe unzähliger Zigaretten und mehrerer Kannen Kaffee bei den Betroffenen die Hoffnung auf einen Neuanfang zu wecken- einen Neuanfang in Polen- ohne Alkohol, ohne Drogen.
Anhand von Einzelschicksalen verdeutlicht die Autorin die Arbeitsweise der Stiftung BARKA, die den Rückkehrern Hilfe, Unterkunft, Perspektiven bietet.
Es ist eine Reportage von der lauten – mitunter schon brutalen- Straße; keine schönen Statements aus noch schöneren Büros.
Heike Bittner lässt uns hautnah miterleben, wie die beiden Sozialarbeiter geduldig argumentieren, es scheint, als sei die Kamera die dritte Helferin.
Die Autorin bringt uns die Schicksale emotional nahe ohne zu emotionalisieren.
Schweigend zuhören, einfühlsam beobachten- auf Augenhöhe begegnen- mit Achtung vor dem Menschen, der da im wahrsten Sinne des Wortes am Boden liegt.
Heike Bittner hält sich zurück mit wertenden Äußerungen, setzt Musik sehr sparsam- als emotionale Untermauerung- ein.
Sie lenkt uns auf einem Pfad zwischen Scham einerseits und Enttäuschung andererseits.
Dieses respektvolle Wiedergeben der Situation, dieses sachliche Einordnen, dieses strukturierte und doch einfühlsame Erzählen hat die Jury überzeugt.
Daher geht der diesjährige Preis in der Kategorie Fernsehen an Sie, Frau Bittner.
„Gestrandet in Berlin. Polen holt obdachlose Landsleute zurück“- eine ganz andere deutsch-polnische Geschichte, die längst noch nicht zu Ende geschrieben ist und die nicht zwangsläufig nur erfolgreich endet.
Herzlichen Glückwunsch
MULTIMEDIA
Deutsch-Polnischer Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis 2020
Kategorie Multimedia
Laudatio von Piotr Stasiak für den Beitrag von Veronica Frenzel und Agata Szymanska-Medina unter dem Titel „Alle für eine”, Spiegel Multimedia
Mit dem Preis, der seit zwei Jahren in der Kategorie Multimedia vergeben wird, sollen journalistische Materialien ausgezeichnet werden, die unter Nutzung der Möglichkeiten des Internets, digitaler Technologien, multimedialer Apps und Werkzeuge entstanden sind.
Das Niveau der in der diesjährigen Ausgabe eingereichten Arbeiten war außerordentlich ausgeglichen. Wir sind auch froh, dass die Themen vielfältig waren. An der Spitze liegen u.a. ein Audio+Video-Bericht über die Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer, eine historische Untersuchung, deren Autoren zu einzigartigen Archivmaterialien gelangt sind, und eine Reportage, die statistische Daten auf zugängliche Weise präsentiert. Wir gratulieren allen Nominierten.
Wir freuen uns, dass der Deutsch-Polnische-Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis im Jahr 2020 an die SPIEGEL-Redaktion geht. Die Autoren der Multimedia-Reportage "Alle für eine" scheinen sich mit einem ganz offensichtlichen Thema zu beschäftigen. Schließlich ist die Zulässigkeit des legalen Schwangerschaftsabbruchs in Polen seit dreißig Jahren ein Instrument des politischen und weltanschaulichen Kampfes. Durch die Verwendung eines Formats – das Veronica Frenzel und Agata Szymanska-Medina selbst als „visual story“ bezeichneten – gewinnt das Thema jedoch eine neue Ausdruckskraft. Es handelt sich um eine Kombination aus Video, evokativem Ton, starken Bildern, Archivmaterial und Text-Reportage – alle diese Elemente locken die Zuschauer vor den Bildschirm und rufen Emotionen hervor. Man fühlt sich überrascht, interessiert, und schließlich zeigt sich Empathie.
Eine der Reportage-Protagonistinnen, Natalia, sagt ja: Wenn die Frau zugibt: "Ich hatte eine Abtreibung, und es war meine Entscheidung", stößt sie auf Unverständnis. Die Menschen sind nicht zur Diskussion bereit; dieses Thema verursacht Schweigen. Und hier ist eine Veränderung notwendig.
Gesellschaftliche Debatte und Wandel fangen mit Veränderungen des Bewusstseins an. Und Bewusstsein und Verständnis werden durch journalistisches Material wie "Alle für eine" geschaffen.
Herzlichen Glückwunsch!
"JOURNALISMUS IN DER GRENZREGION"
Deutsch-Polnischer Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis 2020
Kategorie „Journalismus in der Grenzregion“
Laudatio von Tobias Dürr, gesprochen von Dietmar Woidke, Ministerpräsident von Brandenburg, für den Beitrag von Agata Horbacz, Katharina Zabrzynski unter dem Titel „Ohne Polen läuft hier nix“, Rundfunk Berlin-Brandenburg, Regionalstudio Frankfurt (Oder)
„Ohne Polen läuft hier nix!“ – so heißt der Beitrag, der in diesem Jahr in der Kategorie „Grenznaher Journalismus“ den Sieg davongetragen hat.
„Bez Polaków ani rusz!“ – damit ist schon fast alles gesagt.
In ihrer Reportage, produziert für das rbb-Regionalstudio Frankfurt (Oder), zeigen Agata Horbacz und Katharina Zabrzynski höchst eindrucksvoll das grenzüberschreitende Miteinander in unserer Region.
Sie zeigen am Beispiel ganz konkreter Menschen, wie wichtig – und wie völlig unersetzbar – Polinnen und Polen heute sind, wenn es darum geht, Wirtschaft und Gesellschaft in Brandenburg und in Berlin in Gang zu halten.
Ob als Facharbeiter, als Lehrerinnen oder als Künstler, ob in der Gastronomie oder im Gesundheitswesen – es gibt keinen einzigen Bereich unseres Zusammenlebens mehr, der ohne tatkräftiges polnisches Engagement auskommen könnte.
Gedreht und ausgestrahlt wurde der Film „Ohne Polen läuft hier nix!“ vor dem Ausbruch der Corona-Epidemie. Der eine oder die andere mag den Titel da vielleicht noch für eine ziemlich steile These gehalten haben.
Spätestens jetzt aber, spätestens in der Corona-Krise hat sich in aller Schärfe gezeigt, wie richtig die beiden Autorinnen liegen.
Polnische Ärzte und Ärztinnen, polnische Krankenpfleger und Krankenschwestern, polnische Erntehelfer und Erntehelferinnen und viele andere mehr – ich glaube: Spätestens in dieser Notlage hat nun wirklich jeder begriffen verstanden, wie sehr wir überall in Deutschland auf sie alle angewiesen sind – und erst recht hier bei uns in der Grenzregion.
Darum bin ich so froh darüber, dass der Film „Ohne Polen läuft hier nix!“ diesen Wettbewerb gewonnen hat.
Eben nicht nur, weil das ein richtig gut gemachter und eindrucksvoller Film ist.
Sondern auch, weil die beiden Autorinnen mit ihrem Film gerade jetzt in diesen schwierigen Zeiten all den vielen Menschen aus Polen ein würdiges Denkmal setzen, die hier bei uns in Deutschland den Laden mit am Laufen halten
Sie alle gehören hierher!
Sie alle gehören zu uns!
Wir alle gehören zusammen!
In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch – und herzlichen Dank!