Der preisgekrönte Beitrag wurde auf dem Internetportal TVN24.pl veröffentlicht. Es handelt sich um eine Reportage über das kleine Dorf Osinów Dolny in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze. Obwohl es nur gut zweihundert Einwohner hat, bietet es etwa dreitausend Arbeitsplätze. Hunderte oder Tausende von Deutschen kommen täglich dorthin. Das liegt an den Waren und Dienstleistungen, die in Osinów angeboten werden – sie sind viel billiger als jenseits der westlichen Grenze. Die Autorin betont, dass das Dorf für seine über vierzig Friseursalons bekannt ist. Deutsche können nicht nur Friseurdienstleistungen in Anspruch nehmen, sondern sich auch auf einem kostenlosen Wohnwagenpark ausruhen, gutes Essen günstig kaufen und ihr Auto tanken. In ihrer Reportage fragt die Journalistin die Bewohner von Osinów, wie sie ihr Dorf wahrnehmen. Einige von ihnen sind von seiner internationalen Bedeutung und seiner Rolle als „Goldgrube“ für Polen überzeugt.

Die Jury wusste sowohl den Beobachtungssinn der Autorin als auch ihren besonderen Schreibstil zu schätzen.

Katarzyna Świerczyńska beschreibt die Beziehungen zwischen Polen und Deutschen, ihre gegenseitigen Kontakte, aber auch die Verbindungen, die durch das Coronavirus plötzlich gerissen sind, auf meisterhafte Art und Weise, so Robert Migdał, das polnische Jurymitglied der Kategorie Print.

Neben dem preisgekrönten Text konkurrierten fünf weitere Beiträge um eine Auszeichnung in dieser Kategorie.

Einer davon war der Text „Das große Warten“ von Jonas Seufert und Łukasz Grajewski, der in der „Tageszeitung“ veröffentlicht wurde. Er beschreibt die schwierige Situation der Arbeiter im Schlachthof Tönnies in Nordrhein-Westfalen während der Coronavirus-Pandemie. Wegen der Quarantäne waren sie an ihrem Arbeitsplatz gefangen (viele von ihnen waren aus Osteuropa gekommen). Anhaltende Isolation, Kommunikationsprobleme und finanzielle Unsicherheit ließen ihre Zweifel und Frustration wachsen. Arbeitgeber und Behörden behaupteten, sie könnten ihnen nicht helfen. Die Autoren der Reportage sprechen mit Schlachthofarbeitern, die in den deutschen Siedlungen Gütersloh, Rhedy und Rietberg leben, u.a. mit Piotr Brzozowski, der seit drei Wochen in der Quarantäne festsitzt, Frank Scheffer, dem Leiter des Krisenstabs in Gütersloh, Agnieszka Kukiełka, die als Beraterin für die polnischen Arbeiter und ihre Familien tätig ist. Die Reportage gibt nicht nur die tatsächliche Situation der Tönnies-Schlachthofarbeiter gut wieder, sondern auch ihre Gedanken, Emotionen und Gefühle in einer ungewöhnlichen und schwierigen Situation.

In der Kategorie Print wurde auch der Text „Das Chaos ist die Hoffnung“ von Tomasz Kurianowicz nominiert, der in der „ZEIT“ erschien. Der Journalist beschreibt den Kulturkrieg in Polen und argumentiert, dass er in Wirklichkeit komplizierter ist, als die Medien ihn darstellen. Ist es ein totaler Krieg oder ein Kampf, der eher selektiv geführt wird? Der Journalist fragt, was die Motive der Partei Recht und Gerechtigkeit sind, die beiläufig in die kulturelle Wirklichkeit Polens eingreift? Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen spricht er mit Kunstkritikern und analysiert die Situation in ausgewählten polnischen Kulturinstitutionen, darunter im Zentrum für Zeitgenössische Kunst.

Unter den nominierten Beiträgen war auch der Artikel „Hotel Europa“ von Eva Hoffmann und Agata Szymańska-Medina, erschienen in der „ZEIT“. Er präsentiert die Geschichten polnischer Arbeiter und Ärzte, die sich kurz vor der Schließung der Grenzen während der Pandemie entschieden, in Deutschland zu bleiben. Die Polen leben und wohnen mit ihren Familien auf der polnischen Seite, und auf der deutschen arbeiten sie. Wegen der Coronavirus-Epidemie müssen sie sich einer Zwangsquarantäne unterziehen. Um ihren Familien die Zwangsisolation zu ersparen, haben viele Polen beschlossen, diese schwierige Zeit fern von Zuhause zu verbringen. Die Journalistinnen beschreiben das Hotel Wendenkönig in Prenzlau, das voller Menschen ist. Hier fanden viele Polen ein vorübergehendes Zuhause. Der Ort hat seinen Gästen nicht viel zu bieten. Die Autorinnen der Reportage zeigen, dass das Schwierigste für die polnischen Arbeiter das Gefühl der Unsicherheit ist, wann sie nach Hause zurückkehren können. 

Der nächste nominierte Text in der Kategorie Print ist der Beitrag von Joanna Strzałko unter dem Titel „Wie deutsche Rentner leben. Armut ist nicht zu sehen. Sichtbar sind die, die es geschafft haben“, der auf dem Internetportal weekend.gazeta.pl erschien. Die Autorin beschreibt das Schicksal der deutschen Rentner. Sie entzaubert das in Polen verbreitete Mythos, es handele sich um zum Wohlstand verurteilte Menschen mit hohen Renten, die sich um nichts zu sorgen brauchen. Die Journalistin spricht mit Deutschen unterschiedlichen Alters und in unterschiedlichen Situationen. Sie beschreibt unter anderem ein Seniorenpaar, das in einem luxuriösen, an ihre Bedürfnisse angepassten Hochhaus lebt, und ältere Menschen, die ihren Ruhestand in Mietwohnungen verbringen. Eines haben die Senioren gemein: Die meisten von ihnen betonen, dass man in Deutschland lange bevor es soweit ist, an den Ruhestand denken muss. Die Autorin zeigt, dass das Gespenst der Armut viele Deutsche Senioren betrifft, die Armen aber oft unsichtbar bleiben.

Der letzte nominierte Text in dieser Kategorie war Rafał Jessweins „Paragraf 175. Die Überlebenden wurden nicht gerettet“. Der Artikel wurde in der Zeitschrift „Polityka“ veröffentlicht. Er beschreibt die Repressionen gegen Homosexuelle während des Zweiten Weltkriegs. Der Autor erinnert daran, dass der berühmte Paragraph 175 des deutschen Strafgesetzbuches den Akt der Homosexualität auf Zoophilie reduzierte. Sie wurde mit dem Entzug von Freiheit oder Bürgerrechten bestraft. Männer mit einer anderen sexuellen Orientierung wurden in spezielle Lager gebracht. Man versprach ihnen, dass sie freigelassen würden, wenn sie sich der Kastration unterzögen. In Wirklichkeit wurden sie an die Ostfront geschickt, um gegen die Partisanen zu kämpfen. Wie der Autor betont – als Teil des heroischen Kampfes für Hitler und Himmler. Noch lange nach dem Krieg galten Homosexuelle nicht als Opfer des nationalsozialistischen Systems. Obwohl viele Menschen 1945 aufatmen konnten, konnten verfolgte Männer ihr Trauma nicht loswerden.

Kinga Wysocka, Zuzanna Gabrel