Laudatio auf Natalie Steger, Milena Drzewiecka

Natalie Steger. Fot. Hans Scherhaufer

Solch einen Dreiklang erleben wir in der Dokumentation von Natalie Steger und Milena Drzewiecka. Innerhalb einer Viertelstunde bekommen wir ein eindrucksvolles Bild dessen, was eine nationalistische Interpretation von Gott- Ehre und Vaterland für Auswirkungen hat.

Dieser ihr Beitrag mit dem Titel „Gott-Ehre-Vaterland- Polens Nationalisten marschieren auf“ liefert eine kompakte Darstellung des erstarkenden Nationalismus in Polen. Er beleuchtet eine scheinbar kleine Gruppierung, die durchaus immer mehr das gesellschaftliche Klima im Lande beeinflusst.

Schon der Einstieg in die Dokumentation eröffnet uns krasse Gegensätze. Wir sehen martialisch anmutende Bilder und Szenen vor einer Pilgerstätte, die doch Frieden und Aussöhnung vermitteln soll. Wir erleben junge Menschen, von denen man frische, neue Zukunftsideen erwartet, und werden mit erzkonservativen Ansichten konfrontiert.  Diese Allpolnische Jugend unternimmt gemeinsame Pilgerfahrten und Klassenausflüge, Bezeichnungen, die sich angesichts der tatsächlichen Inhalte und Ziele dieser Fahrten und der Bilder, die sich uns dazu vermitteln, als reine Euphemismen herausstellen.

Was diese Dokumentation von Natalie Steger und Milena Drzewiecka in Besonderem auszeichnet ist, dass hier nicht Dritte über die Akteure urteilen und werten, sondern die betreffenden Personen selbst zu Wort kommen.  Hier reden keine ausländischen Polen-Experten über die Ereignisse im Land. Nein – die Personen, die eigene Haltungen erläutern, und diejenigen, die sie in gesellschaftliche Zusammenhänge einordnen und auch werten, kommen aus der polnischen Gesellschaft selbst.

Aufgrund ihrer tiefgreifenden Recherche weisen die Autorinnen auch beispielhaft auf Auswirkungen hin, die dieser „Nationalismusrausch“ verursacht. Die Erzählform ist sehr stringent, die Äußerungen und einzelnen Haltungen den jeweiligen Akteuren klar zuordenbar.

Wir erleben einerseits das bedrohliche kämpferische Gebaren, auf der anderen Fassungslosigkeit, Widerstand gegen diesen nationalistischen Druck und sogar hilflos scheinendes Aufbegehren.

Wir- die Zuschauer- sind aufgefordert, uns eine eigene Meinung zu bilden. Welches Europa wollen wir? Welche Interpretationen lassen wir unkommentiert zu? Und wie steht es um den Nationalismus in Europa überhaupt? Parallelen drängen sich geradezu auf.

Und zu all den brennenden Fragen passt auch das Ende der Dokumentation. Bestürzend- ohne Ermahnung durch die Autorinnen. Es rauscht ein ungeheuerlicher Dreiklang im Ohr, wenn es heißt: „die, die hier skandieren, sind ein Teil der Zukunft Polens“. Ein Akkord, den man nicht hören möchte, der erschauern lässt, mit dem wir uns jedoch auseinandersetzen müssen.

Herzlichen Glückwunsch.

Bogna Koreng