Der Gewinnerbeitrag ist eine multimediale Reportage, die mit Hilfe der Storytelling-Methode für das größte deutsche Meinungs-Wochenmagazin Der Spiegel erstellt wurde. Das Thema des Beitrags mag zwar offensichtlich scheinen, aber in Polen ist die Frage der Legalisierung des Abtreibens seit drei Jahrzehnten Gegenstand von unzähligen Medien-Narrationen, Streitigkeiten und politischen Kämpfen. Die Autorinnen überraschen das Publikum jedoch mit einer äußerst interessanten, zugänglichen Form des Beitrags, die sie als „visual story“ bezeichnet haben. Es ist eine Kombination aus kurzen Videos, Toneffekten, ausdrucksstarken Fotografien, Archivmaterialien und Reportertexten. Dank dieses Mediums wird der Betrachter unmittelbar in den präsentierten Inhalt einbezogen.
„Wenn eine Frau zugibt: Ich hatte eine Abtreibung, und es war meine Entscheidung, dann stößt sie auf Unverständnis. Die Leute sind nicht für eine Diskussion bereit“ sagt Natalia Broniarczyk, eine der Protagonistinnen der Reportage. Die Autorinnen kommentieren, dass ihre Gesprächspartnerinnen Angst hatten, stigmatisiert und beschuldigt zu werden, aber dennoch beschlossen sie, in der Reportage zu erscheinen.
Die Wege von Natalia und Justyna Wydrzyńska und Karolina Więckiewicz, Aktivistinnen, die sich für den Zugang zur Abtreibung einsetzen, kreuzten sich, als Natalia nach Methoden suchte, um eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen. Aktivistinnen halfen ihr dabei. Eine gute Zusammenfassung, die die ganze Reportage verbindet, ist die Stimme von Frauen aus Irland (einem Land, in dem Abtreibung vor 2 Jahren legalisiert wurde) und ihre suggestiven Worte darüber, dass auch Polen dieses Recht bekommen werde.
Fünf Beiträge wurden für den Deutsch-Polnischen Journalistenpreis in der Kategorie Multimedia nominiert. Stefan Kunze bereitete auf der Grundlage großer Datenvisualisierungen ein Material vor, das den deutsch-polnischen Beziehungen gewidmet ist. Sein Artikel mit dem Titel „So viel Polen steckt in Berlin und Brandenburg” wurde auf der deutschsprachigen Seite RBB-24 veröffentlicht. Das Fotografen- und Reporterteam, das von Piotr Barejka, Katarzyna Domagała-Pereira und Maciej Stanik zusammengestellt war, führte eine journalistische Untersuchung durch, die die wahre Identität von Peter Grubbe aufdeckte, einem linken Journalisten, der als Claus Volkmann während des Krieges Juden in Polen ausrottete. Sie sprachen unter anderem mit Ruta Wermuth, der es gelang, das Pogrom zu überleben.
„Ich war sehr beeindruckt von ihrer Erinnerung an die Details und ihre blauen Augen, die ich auf meinen Fotos gut zeigen wollte", räumte Maciej Stanik, einer der Autoren des Materials, ein. Der Artikel erschien in Magazyn WP und wurde von der Deutschen Welle nachgedruckt.
Unter den Nominierten in der Kategorie Multimedia war Rafał Skórski, ein Journalist bei autoPRL.pl. Sein Text „Syrena mit Wartburg-Motor. Wartburg mit der Syrena-Karoserie” befasst sich mit den Mythen der polnischen Nachkriegsmotorisierung und der Produktion von populären Syrena-Autos. Aneta Łuczkowska wiederum, die für RMF24 arbeitet, einen Audio- und Videobericht über den Fall der Berliner Mauer erstellt hat. In dem nominierten Text „30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer“ werden die Opfer beschrieben, die es nicht geschafft haben, auf die Westseite der Hauptstadt zu gelangen.
„Das Niveau der in dieser Ausgabe eingereichten Beiträge war außergewöhnlich ausgeglichen“, sagte Piotr Stasiak, ein polnisches Jurymitglied des Wettbewerbs.
Bei der diesjährigen Ausgabe des Preises triumphierten die Frauen. Sie waren es, die in allen Kategorien gewonnen haben. Der Preis für die Gewinner jeder Kategorie beträgt 5000 Euro. Wegen der Corona-Pandemie fand die diesjährige Ausgabe der Deutsch-Polnischen Medientage und des Deutsch-Polnischen Journalistenpreises am 4. Juni im Online-Format statt. Der Text und eine Aufzeichnung der Laudationes sind auf der Website der Veranstaltung abrufbar.
Katarzyna Kowalewska, Magdalena Oskiera