Ohne Grenzen
476 Kilometer, die sich von den Sudeten bis zur Ostsee ziehen, drei Bundesländer, drei Woiwodschaften, mehr als 25 Jahre gemeinsame Geschichte. Die deutsch-polnischen Grenzgebiete sind über die Jahre grundlegende Veränderungen durchlaufen, die dichten Grenzen existieren nicht mehr, durch die Europäische Union haben sich die Bewohner beider Länder einander angenähert. Aber kommen die Politik der Regierungen und die Haltung der lokalen Journalisten mit den Veränderungen mit? Darüber debattierten die Teilnehmer des Workshops „Neue Herausforderungen für die Grenzregion“, der im Rahmen der 8. Deutsch-Polnischen Medientage in der Pommerschen Bibliothek in Stettin stattfand.
Moderiert wurde die Diskussion von Maria Bartczak (seit 2011 Leiterin von TVP Stettin, zuvor Korrespondentin von TVP in Deutschland) und Bärbel Wichmann (Leiterin des Senders rbb in Frankfurt/Oder). Unter den Teilnehmern waren deutsche und polnische Journalisten, die seit 1989 mit dem Grenzraum verbunden sind, unter anderem Bert Eischmann, Peter Schmidt, Bogdan Twardochleb, Zbigniew Plesner, Andrzej Kotula, Ruth Henning und Wioletta Weiss.
Wer bin ich?
Eines der Hauptthemen war zu Beginn der Diskussion die Rolle des Journalisten in der Grenzregion. Die Teilnehmer betonten, dass der Journalist sich mit der Gemeinschaft, über die und für die er schreibt, und mit deren Problemen und Erwartungen an die Regionalverwaltung und die Politiker identifizieren soll. Seine Aufgabe sei es, Verbindungsglied zwischen der Gesellschaft und der Regierung zu sein.
„Journalisten sind nicht nur Berichterstatter, sondern sie kreieren auch gute Nachbarschaft“, verdeutlichte Andrzej Kotula, Journalist aus der Grenzregion und Mitbegründer des Deutsch-Polnischen Journalistenclubs „Unter Stereo-Typen“.
Die Gäste waren sich darüber einig, dass die Einstellung des Journalisten und der Medien entscheidenden Einfluss auf die Verbesserung und die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den Bewohnern beider Länder haben. Maria Bartczak wies darauf hin, dass vor 20 Jahren die Journalisten aus der Grenzregion keinen großen Wert auf Geld gelegt haben – für sie zählte allein die Idee der Vereinigung und der guten Nachbarschaft.
„Wir waren neugierig und hatten das unwiderstehliche Bedürfnis einander kennenzulernen“, sagte Zbigniew Plesner, der seit vielen Jahren für das Polnische Radio in Stettin tätig ist. Er fügte hinzu, dass es in den damaligen Zeiten mehr Visionäre gegeben habe, die weder Geld noch Kontakte, aber das Ziel hatten, eine mediale Grenzregion aufzubauen. „Das waren Pionierzeiten für die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen“, so Plesner.
„Gut informiert“ bedeutet?
Die Teilnehmer wiesen darauf hin, dass ein häufiges Dilemma des Journalisten in der Grenzregion das Informieren über ein Problem sei. Wie kann dieses interessant gestaltet werden und die Aufmerksamkeit des Lesers wecken, ohne dabei die Wirklichkeit zu beschönigen?
„Vor gut zehn Jahren haben die deutsch-polnischen Tandems geholfen“, erinnerte Zbigniew Plesner. „Jede Seite hatte ihre Stereotypen und Vorurteile, aber dadurch, dass die Ansichten aufeinanderprallten, konnten wir eine neue Qualität schaffen.“
Die Journalisten betonten, dass es bei den Bewohnern der Grenzregion und den jungen Adepten des Journalismus sowohl an Wissen über den westlichen Nachbarn als auch an Fremdsprachenkenntnissen fehle.
Wie weiter?
Zum Abschluss versuchten die Journalisten, eine Empfehlung zur weiteren Zusammenarbeit in der deutsch-polnischen Grenzregion zu formulieren. Eines der Hauptpostulate war die Unterstützung des Portals Transodra Online, sprich des einzigen Internetportals, das über Themen aus der Grenzregion informiert, sowohl auf Polnisch als auch auf Deutsch. Andrzej Kotula betonte, dass man das Potenzial, das in Transodra schlummere, nicht verpuffen lassen dürfe, denn das Portal könne einen günstigen Einfluss auf die Entwicklung der auf beiden Seiten vernachlässigten regionalen Bildung haben und die mediale Botschaft aus der Grenzregion auffrischen.
Die Teilnehmer machten deutlich, wie wichtig es ist, jungen Journalisten umfassende Bildung mitzugeben und es ihnen zu ermöglichen, Grundwissen über die Grenzregion zu erhalten.
Zusammenfassend verglich Bärbel Wichmann die Grenzregion mit einer 25jährigen Ehe, die wie jede lange Beziehung, ihre Höhen und Tiefen hatte. Ihrer Meinung würde ein gemeinsamer deutsch-polnischer Aktionsplan die Grenzregion aufleben lassen und dabei helfen, ein Kommunikationsmodell zu schaffen, das an die zeitgenössischen Realien angepasst ist.
Katarzyna Karpińska, Martyna Witkowska