Ein kleines Gespräch vor der großen Gala
Zwei Stunden vor der Verleihung des Tadeusz-Mazowiecki-Preises setzten sich die Nominierten Journalisten an einen Tisch und erzählten von ihren Protagonisten, dank derer sie ins Finale gekommen sind.
Am 21. Mai 2015 fand in der Pommerschen Bibliothek in Stettin im Rahmen der Deutsch-Polnischen Medientage die Veranstaltung „Small Talk“ unter der Teilnahme von Finalisten des Wettbewerbs um den Deutsch-Polnischen Journalistenpreis Tadeusz Mazowiecki statt. Die Auszeichnung ist Vertretern deutscher und polnischer Medien vorbehalten, die auf solide und gründliche Weise – je nach Perspektive den Polen oder den Deutschen – die Alltagswirklichkeit auf der anderen Seite näher bringen. Zum 18. Mal haben Journalisten ihre Beiträge in den drei Kategorien Print, Hörfunk und Fernsehen eingereicht. Der Wettbewerb hatte in diesem Jahr die Rekordzahl von 164 eingereichten Beiträgen zu verzeichnen. Die Jury hat sechs Finalisten aus jeder Kategorie ausgewählt.
Das Gespräch, das die in diesem Jahr dominierende Thematik beleuchten sollte, wurde von Karolina Golimowska und Daniel Tkatch, den Gewinnern des prestigeträchtigen Preises im vergangenen Jahr, moderiert. Die Diskussion bestand aus zwei Teilen. Im ersten Teil stellten sich Andrzej und Jolanta Rudnik vor (Autoren der Sendung „Der letzte Zeuge”), Anna Malinowska (nominiert für die Reportage „Das vertragliche Geburtsdatum“) und Monika Stefanek (nominiert für den Beitrag „In Nachbarschaft mit dem Weißen Storch). Das gemeinsame Motto, das die Problematiken der Beiträge zusammenfassen sollte, lautete: „Fremde unter uns, die uns verbinden“.
Auf der Suche nach dem eigenen Ich
Was die Beiträge der Diskussionsteilnehmer gemeinsam hatten, war die Frage der Identität – die Suche, das Finden und die Definition. „Als ich die Reportage über Anna schrieb, versuchte ich, ein bisschen sie zu sein, ihre Empfindungen zu rekonstruieren“, sagte Anna Malinowska, Autorin einer Geschichte über ein Mädchen aus dem österreichischen Lebensborn. Andrzej und Jolanta Rudnik versuchten, in ihrem Beitrag die Frage zu beantworten; „Wie kann man danach leben, lieben und Kinder großziehen?“ „Danach“ – das heißt: nach Treblinka. Davon erzählte ihnen Samuel Willenberg, ein Holocoust-Überlebender. „Hinter meiner Geschichte steht der Zufall“, sagt hingegen Monika Stefanek, nominiert für einen Beitrag über die in Polen erste Rabbiner-Ordination in Wrocław.
Die Journalisten habe von dem Problem des Andersseins erzählt, wie es damals und heute verstanden wird. Und sie haben die Figur des „Fremden“ früher und – denn dieses Thema ist noch immer aktuell und die Diskussionen darüber, wer der „Fremde“ ist und was dies bedeutet, entzündet sich ständig aufs Neue – in der heutigen, globalisierten Welt beleuchtet.
Von der anderen Seite betrachtet
Thema des zweiten Teils des Gesprächs war die gemeinsame Wahrnehmung von Polen und Deutschen, von Deutschen und Polen. Auf die Bühne kamen drei Frauen: Marietta Morawska-Büngeler (Autorin von „Waschen füttern trӧsten – polnische Pflegerinnen in Deutschland), Sonja Volkmann-Schluck („Aufrüstung mit Symbolwert – In Stettin planen deutsche und polnische Soldaten gemeinsam den Verteidigungsfall der NATO“) und Emilia Smechowski („Ein Hoch auf die faulen Piroggen!“).
„Hat Putin die NATO integriert?“, fragte die Moderatorin die Autorin der Reportage über Soldaten der NATO-Truppe in Stettin. Das Gespräch konzentrierte sich somit zu Beginn auf die internationale politische Situation und die Beziehungen Deutschlands und Polens zu Russland. Darüber hinaus wurde die Frage der Arbeitsemigration von Frauen aus Polen und der Ukraine in den Westen angesprochen. Pflegerinnen alter und kranker Menschen, die ins Ausland gehen, voller Energie sind, aber auch auf ihr eigenes Privatleben verzichten. Mit ihrer Aufopferungsbereitschaft garantieren sie ihren Schutzbefohlenen mehr als nur die Grundbedürfnisse, wie ernährt und angekleidet zu werden, denn sie bieten den alten Menschen auch Gespräche und leisten ihnen Gesellschaft in ihrer Einsamkeit.
Die Debatte über gegenseitige deutsch-polnische Beziehungen lässt sich mit der Überzeugung einer der Reporterinnen zusammenfassen, es sei nicht schwer, über diese Themen zu schreiben, wenn man sich darüber im Klaren ist, wie wichtig es ist, das Problem von beiden Seiten zu beleuchten.
Maja Dębska, Patrycja Jelińska und Magda Kicińska