13. Deutsch-Polnischer Journalistenpreis
Kategorie Print
Deutschland:
Michael Zajonz, Der Tagesspiegel
„Die Blume Europas - Breslau? Wroclaw?“
Breslau/Wrocław ist eine Stadt, deren Geschichte Jahrhunderte lang - meist unter nationalen Vorzeichen - von der Mehrheitsgesellschaft geprägt und vereinnnahmt wurde: erst von den Deutschen, seit 1945 von den polnischen Bürgern der Stadt. Wie souverän die polnische Bevölkerung von Wrocław heute mit den „fremden" historischen Hinterlassenschaften umgeht, zeigt dieser Beitrag am Beispiel des zum stadtgeschichtlichen Museum umgebauten ehemaligen Stadtschlosses der preußischen Könige.
Thomas Gerlach, Welt am Sonntag
„In der Erde Polens“
Robert Ryss, Chef der Gazeta Chojeńska, hat die Einwohner von Chojna, ehem. Königsberg i. d. Neumark, mit der deutschen Geschichte ihres Ortes bekannt gemacht, insbesondere mit dem Ende des Krieges 1945 und der Vertreibung. Das Unerwartete: viele interessieren sich seitdem für diese Epoche, mehr noch - auch die deutsche Geschichte wird zum Teil ihrer Identität.
Agnieszka Hreczuk, Der Tagesspiegel
„Zusammen kann man mehr“ In einer Volksabstimmung in 2004 waren 95 Prozent die Bewohner in westpolnischen Gozdnica für den EU-Beitritt, in ostpolnischen Godziszczow votierten währendessen 88 Prozent dagegen. Die ersten haben auf die ausländischen Investoren gezählt, die anderen fürchteten sich vor dem Neuen. Sechs Jahre später sind die diametralen Unterschiede verwischt. Die größten Ängste haben sich nicht bestätigt, doch die Hoffnungen haben sich auch nicht erfüllt.
Polen:
Marcin Bielesz und Paweł Piotr Reszka, Gazeta Wyborcza Lublin
„Skierbieszów czeka na prezydenta“ (Skierbieszów wartet auf den Bundespräsidenten)
Skierbieszów ist eine kleine Stadt nicht weit von Zamość in Ostpolen. Dort wurde 1943 Horst Köhler, der Präsident der Bundesrepublik Deutschland, geboren. Er war ein Kind der deutschen Siedler, die ein Haus bewohnten, aus dem eine polnische Familie vertrieben worden war. Bis heute leben in Skierbieszów die Nachfahren der Familien, die damals 1942 für die Köhlers Platz machen mussten.
Obwohl manch einer 1942 seine Familie verloren hat, tragen sie dem Präsident nichts nach - wie sie selbst sagen. Einige erinnern sich an die Eltern des Präsidenten, einer meint, dass der Vater des Präsidenten ihm das Leben geretet habe. Alle wollen, dass der Präsident nach Skierbieszów kommt, so wie er angekündigt hat. Die Frage ist, ob er die Last dieses Besuches tragen kann?
Angelika Kuźniak, Gazeta Wyborcza / Duży Format
„Przećwiczyłam śmierć“ (Ich habe den Tod geprobt)
Ein mit Herta Müller durchgeführtes Interview (Portrait), bevor sie den Nobelpreis erhielt. Es ist eigentlich eine Erzählung über ihr Leben, das stark in das totalitäre Rumänien und in die dortige deutsche Minderheit eingebettet war. Herta Müller erklärt das Trauma, das die Grundlage ihres Schaffens ist.
Adam Zadworny, Gazeta Wyborcza Szczecin / Duży Format
„Dziki Zachód Uznam“ (Usedom oder der Wilde Westen)
Im Winter 1945/1946 wurde Swinemünde durch Treibeis vom restlichen Polen getrennt. Die Milizionäre, die nicht mehr unter Kontrolle ihrer Vorgesetzten standen, konnten eigenmächtig über Leben und Tod der deutschen Stadtbewohner entscheiden. In einem Untersuchungsgefängnis kam es zu Mordfällen. Das Institut für Nationales Gedenken hatte vor, die unter dem Schulhof begrabenen Überreste der ermordeten Deutschen zu exhumieren. Aber niemand will die Exhumierung, damit sie nicht zu einer politischen Gelegenheit wird, so wie es vor 20 und 60 Jahren war. Nachdem Polen der Schengen-Zone beitritt, verschwindet der Stacheldraht, der früher den Strand teilte. Die deutsch-polnische Zusammenarbeit entwickelt sich prächtig. Aber diese Überreste? Inzwischen ist „Im Wilden Westen“ von Tadeusz Wojciechowski als Buch erschienen. Der Autor hatte im Winter 1945/1946 in besagtem Milizpräsidium in Swinemünde gearbeitet. Seine Erinnerungen an diesen Winter aber sehen ganz anders aus.
Kategorie Hörfunk
Deutschland:
Andra Joeckle, Deutschlandradio Kultur
„Krakau mit Händen und Füßen“
Mit einem Residenzstipendium in der Tasche lebte Andra Joeckle drei Monate in der Villa Decius in Krakau. Statt geläufiger Reiseführer las sie Witold Gombrowicz, um sich Krakau aus dem Geist dieses polnischen Enfant terrible der Literatur zu eigen zu machen. Den Gombrowicz'schen Wortprägungen wie „barfuß denken“, „verpopoen“ oder „gesäßig“ haucht sie neuen Sinn und Atem ein. Auf ihren Streifzügen begegnet sie Krakaus gefühlten tausend Mauern, Hefekringeln, sprechenden Pferden und dem Frauenphänomen Blachara, der heutigen „Weichselaphrodite“ (Heine), und ihrem männlichen Pendant, dem Dresiarz.
Ludger Kazmierczak, ARD-Hörfunkstudio Warschau
„Weine nicht kleine Basia“ Zeitzeugen erinnern sich an dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und an deren Vorgeschichte. Die aktuellen O-Töne korrespondieren mit historischen Archivaufnahmen. Das Feature geht nicht nur der Frage nach, wie es zum deutschen Überfall auf Polen kam. Die Protagonisten erzählen zugleich, wie der Krieg ihr Verhältnis zu Deustchland und den Deutschen (aber auch zu Russland und den Russen) beeinflußt hat.
Arne Hell, NDR 1 Radio MV
„Die Mauer fiel in Danzig - Wie die polnische Solidarność in der DDR ankam“
Das Feature schildert den Zeitraum von 1980 bis zum Fall der Mauer in Polen und der DDR. Es erzählt die Geschichte von Menschen, die die oppositionelle Gewerkschaftsbewegung Solidarność als Chance für einen ähnlichen Aufbruch in der DDR sahen. Sie erinnern sich an ihre Hoffnungen, ihre Blauäugigkeit und ihre Kontakte zur Solidarność, an vorgeschobene sozialistische Freundschaft, das Gefängnis und die Entdeckung der Solidarität. Dahinter steht die Frage: Welche Spuren hat die Solidarność in der DDR hinterlassen? In einem Staat, für den plötzlich „die Gefahr nicht mehr nur aus dem Westen, sondern auch aus dem Osten“ kam.
Polen:
Agnieszka Czyżewska-Jacquemet, Polskie Radio Lublin
„Kiedy mówią kamienie“ (Wenn Steine sprechen)
Die polnisch-ukrainische Grenzregion ist ein Ort, in dem während des Zweiten Weltkriegs das tragische Schicksal drei Nationen zusammenbrachte. Die Ukrainer waren ein Bündnis mit Hitler eingegangen, und dann, als sie sich von ihm betrogen fühlten, entschieden sie sich, auf eigene Faust die Polen loszuwerden, indem sie seit 1943 ethnische Säuberungen durchführten. Die sich verteidigenden Polen führten wiederum blutige Vergeltungsaktionen durch.
Dank der Polnischen Batory Stiftung und der deutschen Stiftung Memoria konnten junge Freiwillige aus Polen, Deutschland und der Ukraine zusammen arbeiten und die Freizeit verbringen. Die gemeinsame Arbeit, Grabmäler zu restaurieren und Erzählungen von Zeugen dieser tragischen Ereignisse aufzunehmen, brachte sie näher zusammen. Es wurden dadurch Reflexionen und Interesse an Menschen aus anderen Kulturkreisen hervorgerufen. Die jungen Menschen fuhren mit der Gewissheit zurück, dass die schwierige Geschichte nicht trennen muss, sie kann auch verbinden. Wenn sie wieder zu Hause sind, werden sie bezeugen können, dass man die Brücken mit Offenheit und der Akzeptanz eigener Fehler baut und nicht mit Angst und Ressentiments.
Cezary Galek, Radio Zachód SA
„Checkpoint Qualitz, czyli jak Niemcy z Polakiem mur obalili“ (Checkpoint Qualitz oder wie die Deutschen mit einem Polen die Mauer umstürzten)
Cezary Galek: Vor kurzem hat man in Europa den 20sten Jahrestag des Mauerfalls gefeiert. Die Geschichte des geteilten Berlins ist voll von tragischen, grotesken, traurigen und reflektierender Fakten. Die in meiner Reportage dargestellte Geschichte der Mauer ist weniger bekannt, dennoch brannte sie sich in das Leben der geteilten Gemeinschaft ein. Das Dorf Lübars (heute ein Teil Berlins) war nach dem Krieg in der französischen Zone. In den 80ern siedelte sich dort Ferdynand Domaradzki aus Świebodzin an und gründete eine deutsch - polnische Familie. Das Feld seines Schwiegervaters Herr Qualitz war durch die Mauer geteilt. Strategisch gesehen war das kein wichtiger Abschnit der Mauer, trotzdem veränderte sie für immer das Bewusstsein der dort lebenden Menschen. Dreißig Jahre nachdem die Mauer gebaut wurde, wurde sie durch die Einwohner Lübars in Blankefelde (die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR lagen) „auf eigene Faust“ zerstört. Heute nach weiteren 20 Jahren erinnern sie sich wieder an der Stelle, wo die Mauer verlief.
Die Reportage ist eine Erzählung über einfache Menschen und ihrer persönlichen Spuren in der neuesten Geschichte Europas.
Jolanta Rudnik und Andrzej Rudnik, Radio Koszalin SA
„Pastor z Trzebiatowa“ (Pfarrer von Trzebiatow)
Hans Udo Vogler wurde 1931 in Treptow geboren. Heutzutage heißt die kleine Stadt Trzebiatów. Der Vater von Hans Vogler war vor dem Krieg Pfarrer in Treptow, Hans Vogler wurde Pfarrer in der DDR und jetzt dient er den Gemeindemitgliedern im vereinigten Deutschland. Durch Zufall kam er vor ein paar Jahren nach Trzebiatów. Er dachte, es würde eine sentimentale Reise sein. Es war aber nicht so: Er lernte Polen kennen, die er für wunderbare Menschen hält. Ziel seines Lebens wurde, den Deutschen klar zu machen, was für Menschen ihre Nachbarn im Osten sind, und den Polen zu zeigen, dass man mit den Deutschen trotz der geschichtlichen Auseinandersetzungen zusammen arbeiten kann, wenn man Stereotypen beiseite lässt. Dem Pfarrer wurde der Titel des Ehrenbürgers von Trzebiatow verliehen.
Kategorie Fernsehen:
Deutschland:
Andrzej Klamt, ZDF/3sat
„Für Danzig sterben?“ In Danzig begann am 1. September 1939 mit den Schüssen der Schleswig Holstein auf den polnischen Militärschutzpunkt Westerplatte der Zweite Weltkrieg. 41 Jahre später wurde in Danzig, das nun offiziell Gdańsk hieß, die freie Gewerkschaft Solidarność gegründet. Die erste unabhängige Gewerkschaft innerhalb des einstigen Ostblocks. Sie kanalisierte den Widerstand der polnischen Arbeiter und läutete den Anfang vom Ende der von Stalin und den Westmächten in Jalta festgelegten politischen Teilung Europas ein. Die Stadt Danzig steht damit symbolisch für zwei zentrale historische Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Sie ist einer der wichtigsten Orte des Gedenkens in Europa.
Antonia Schmidt und Wioletta Weiß, rbb
„Der Tag, als ich erschossen wurde“
„Der Tag, als ich erschossen wurde“ sagt der 84-Jährige Ireneusz Cuglewski, wenn er erzählt, wie die deutsche Wehrmacht sein Dorf überfallen hat. Acht Dorfbewohner sollten hingerichtet werden in Romanow, als Vergeltungsmassnahme für den Tod von zwei deutschen Soldaten. Die Dorfbewohner waren unschuldig, doch das nützte ihnen nichts.
Ireneusz war damals vierzehn. Er hat das Massaker als einziger überlebt, durch Zufall. Oft hat er seine Geschichte schon erzählt. Aber noch nie einem Deutschen. Weil ihn noch nie jemand aus Deustschland gefragt hat.
Der deutsche Überfall auf Polen: Bekannt sind die „Fakten“, die Jahreszahlen, die ungefähre Zahl der Toten. Noch kaum erzählt wurden die Geschichten der Menschen. Verbrechen an der Zivilbevölkerung gehörten zum Kriegsalltag. Die Alten erinnern sich noch sehr genau und die Jungen sind mit der Geschichte groß geworden.
70 Jahre nach dem Überfall sind Antonia Schmidt und Wioletta Weiß durch die Dörfer und Städte entlang der ehemaligen deutsch-polnischen Grenze gefahren und haben gefragt, was die Menschen in den ersten Kriegstagen erlebt haben.
Die Autorinnen sind dabei auf schreckliche Geschichten, aber nie auf Groll gestoßen. Im Gegenteil, sie wurden mit offenen Armen empfangen. Die Menschen, die das Grauen erlebt hatten, freuten sich, dass ein deutsches Team gekommen ist, um ihnen zuzuhören.
Jacek Kubiak und Klaus Salge, rbb/arte
„Eine blonde Provinz“
„Eine blonde Provinz“ ist ein Dokumentarfilm über die Deportationen polnischer Bürger aus den an das Deutsche Reich angeschlossenen Gebieten. Diese Deportationen waren die erste Etappe der Bevölkerungspolitik der Nazis im besetzten Europa, der Anfang einer Kette von Ereignissen, deren Folge Vernichtungslager und Holocaust waren. Reiches Archivmaterial (Filmchroniken, Ikonographie aus polnischen und deutschen Archiven und Archivaufnahmen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv) und Berichte von Historikern bilden den Hintergrund für eine Erzählung von drei Geschichten: des polnischen Juden Helmut Steiniz, dessen Familie zusammen mit anderen Polen über das Lager in Główna in das General Gouvernement ausgesiedelt wurde; des Deutschen aus Lettland, Dieter Bielensten, dessen Familie in den Jahren 1940-1945 in Posen wohnte und das geraubte Vermögen der vertriebenen polnischen Familie übernahm, und die von Henryk Jaszcz, dessen Familie aus Posen nach Ostrowiec Świętokrzyski in General Gouvernement vertrieben wurde. Henryk Jaszcz wurde Mitglied der Untergrundbewegung AK (Heimatarmee).
Polen:
Waldemar Janda, TVP Kraków
„Etniczne klimaty - Polacy, Berlińczycy“ (Ethnisches Milieu)
Seit sieben Jahren, d.h. seit wir die Sendung Ethnisches Milieu machen, beobachten wir, welche Bedingungen in Polen ethnische Minderheiten haben, um ihre Identität, Sprache, Kultur oder Religion zu bewahren. Zum ersten Mal wollten wir überprüfen, wie damit die Polen in der nicht weit weg gelegenen Hauptstadt Berlin zurechtkommen. Wir besuchten dort einige bekannte polnische Treffpunkte, als auch einige beruflich erfolgreiche Polen - oder eher Berliner?
Anna Więckowska, TVP1
„Dzieci piramidy“ (Die Kinder von der Pyramide)
Auf dem Gebiet des ehemaligen Ostpreußens und der ehemaligen staatlichen Bauernhöfe in der Volksrepublik Polen werden deutsche Touristen von einheimischen Kindern durch den Gutshof der Familie von Fahrenheit geführt. Die kleinen Fremdenführer lernen Deutsch, um sich mit den deutschen Touristen verständigen zu können, die immer zahlreicher kommen.
Ewa Barbara Misiewicz, TVP2
„Dom na granicy“ (Haus an der Grenze)
Das Haus an der Grenze existiert wirklich. Es besteht aus einigen Ortschaften bei Hirschberg, in denen die aus den östlichen Gebieten ausgesiedelten Polen und die aus Niederschlesien ausgesiedelten Deutschen ihr Zuhause fanden. Die Familien Chalik, Fronski, Boehm, Byk und Pasternak erlebten eine Tragödie, als sie aus ihren Häusern vertrieben wurden. Noch vor Kurzem waren sie Feinde und nun wurden sie Nachbarn. Der Film zeigt, was aus dieser schwierigen und nicht schmerzfreien Nachbarschaft resultiert.