Die Debatte zum Thema: Der Kampf um die Wahrheit: Wie russische Desinformation die Kriegswahrnehmung in Polen, Deutschland und der Ukraine beeinflusst eröffnete den ersten Tag der 16. Deutsch-Polnischen Medientage, die dieses Jahr in Zielona Góra im Regionalen Zentrum für Kulturanimation stattfanden. Zur Teilnahme am Gespräch wurden eingeladen: Dr. Peter FREY, Journalist, ehemaliger Chefredakteur des ZDF, Żenia KLIMAKIN, Chefredakteur des Internetportals „novayapolsha.pl“, Magdalena WILCZYŃSKA, Teamleiterin im Polnisch-Japanischen Institut für Informationstechnologie in Warschau und Agata Gontarczyk, Leiterin des Programms Europa und Internationale Angelegenheiten. Die Diskussion moderierte Joanna Maria STOLAREK, Direktorin der Heinrich-Böll-Stiftung in Warschau.
Propaganda Panzern und Raketen gleichgestellt?
Subtil getarnte Desinformation schleicht sich durch enge Gänge in die öffentliche Meinung ein und sorgt für Unruhe gewaltigen Ausmaßes. Wie Żenia Klimakin sagte, „ist die russische Propaganda Teil eines umfassenderen und weitaus grauenhafteren Prozesses, der nicht 2022 begann“. Sie ist nur eine der Methoden zur Schwächung der Gesellschaft, und zwar nicht nur einer. Sie breitet sich nämlich in vielen Ländern aus und passt ihre Botschaft an die dortigen Probleme und spezifischen Brennpunkte an. Desinformation nutzt die aktuellen Schwächen des jeweiligen Landes aus und vertieft die darin bestehenden Spaltungen. Doch wie Klimakin fortführte, „ist ihre Schlagkraft viel stärker als einer Bombe, sie vergiftet Köpfe von Hunderttausenden von Menschen“.
Sind wir Waffenträger?
„Wir werden ebenfalls zu Trägern der Desinformation, auch wenn wir die edelsten Absichten haben“, merkte Agata Gontarczyk an, Leiterin des Programms Europa und Internationale Angelegenheiten und unterstrich dabei, dass die Forderung nach einem kritischen Umgang mit den erhaltenen Nachrichten einen universellen Charakter habe. Darauf machte auch Peter Frey aufmerksam, der auf die „eigene Skepsis” als die grundlegende Waffe gegen Desinformation hinwies. Er fügte hinzu, dass der heutige Journalismus ohne Faktenfinder, die Hüter der Wahrheit, die die raffiniertesten Lügen erkennen können, nicht auskommen könne. Die Manipulation der öffentlichen Meinung durch Medienberichte würde überall stattfinden, doch ihre Auswirkungen seien nicht immer identisch. „Für Desinformation in meinem Land bezahlt man mit dem Leben“, rekapitulierte Żenia Klimakin.
Der rechtliche Damm
Das Problem bei der Eindämmung von Fake News ist ihre Zerstreuung - Informationen, die an einem Ort erscheinen, werden unkontrolliert vervielfältigt. Wichtig sind daher neue Rechtsnormen, die regeln, wie man sich im Internet bewegen soll. Dieses Bedürfnis unterstrich auch nachdrücklich Magdalena Wliczyńska, Juristin, die auf Menschenrechte spezialisiert ist, und Expertin für Desinformationsforschung. Es sei die Europäische Union, der ihrer Meinung nach die Pflicht obliege, entsprechendes Recht zu kodifizieren, das ermöglichen würde, die im Internet platzierten Inhalte zu kontrollieren.
Während der Debatte wurden viele treffende Beobachtungen wie auch Hinweise geäußert, wie man individuell gegen Desinformation vorgehen soll und die sich an einen jeden Bürger, Journalisten und insbesondere jeden jungen Menschen richten. Auch wenn eine eindeutige Antwort auf die im Thema der Podiumsdiskussion enthaltene Frage nicht gegeben wurde, hallte der Appell von Agata Gontarczyk: „die Meinungsfreiheit, die wir haben, ist uns nicht ein für allemal gegeben“ stark wider.
Von Aga Becherka und Lucyna Sycz