Obwohl die Teilnehmer der Diskussion „Können Europäer:innen ruhig schlafen? Deutsche und Polen in der Europäischen Union in einer neuen geopolitischen Situation“ sich einig waren, dass es gilt, die Ukraine zu unterstützen, hatte jeder von ihnen ein anderes Rezept dafür.
„Leider habe ich den Eindruck, dass wir auf Kosten des Lebens vieler Ukrainer die Bedeutung der Ukraine auf der internationalen Bühne testen“, begann Jan Piekło, ehemaliger Botschafter der Republik Polen in der Ukraine. Irene Hahn-Fuhr, Mitglied der Geschäftsführung des Zentrums Liberale Moderne, stellte fest, dass die Ukraine manchmal immer noch als ein postsowjetischer Staat wahrgenommen wird. „Das ist koloniales Denken. Ein Staat hat das Recht auf Selbstbestimmung und nur er kann entscheiden, welche Verbündeten er hat".
Nur ein Szenario
Die Teilnehmer der Diskussion betonten, dass in diesem Krieg nicht nur der Frieden in der Ukraine auf dem Spiel steht. Es geht auch um die Werte der demokratischen Welt und den russischen Imperialismus. Ljudmyla Melnyk, Expertin am Institut für Europäische Politik Berlin, wies darauf hin, dass zur Beendigung des Krieges in der Ukraine Waffen und der Status eines EU-Beitrittskandidaten erforderlich seien.
Nicht alle waren dieser Meinung. „Der Status als Kandidat wird die Sache nicht erledigen. Die Frage ist, was danach passiert. Die wichtigste Aufgabe ist es, die Ukraine wiederaufzubauen. Der Prozess wird zu einem großen Teil aus Europa finanziert werden“, konterte Oliver Schenk, Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien und Chef der Staatskanzlei Sachsen.
Die polnischen Diskussionsteilnehmer kritisierten die Zurückhaltung der deutschen Politik in der Frage der Aufnahme der Ukraine in die EU. „Die Ukraine muss ein Teil Europas werden und basta. Sonst werden wir nicht in der Lage sein, unsere gemeinsame Sicherheit aufzubauen“, sagte Dr. Łukasz Jasina, Pressesprecher des polnischen Außenministeriums.
Dass Deutschland wirklich handeln muss, betonte auch Irene Hahn-Fuhr, die das ihrer Meinung nach vereinfachte Verständnis der Losung „Nie wieder Krieg“ kritisierte. „Dieser Slogan bedeutet nicht nur, dass von deutschem Boden kein Angriffskrieg ausgehen darf. Sie bedeutet auch, dass wir nie wieder Völkermord zulassen dürfen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein. Es kann kein anderes Ende dieses Konflikts geben als den Sieg der Ukraine”, erklärte die Expertin.
Krieg mit Kugeln, Krieg mit Worten
Die Diskussionsteilnehmer betonten, dass sich der Krieg auch in den Medien abspielt. Ljudmyla Melnyk wies darauf hin, dass die deutsche Presse sehr wenig über die systematischen Versuche Russlands berichtet, die ukrainische Kultur und Sprache zu vernichten. „Seit 2014 habe ich in den deutschen Medien eine Rhetorik erleben müssen, die ganz auf der Linie des Kremls war. Ein Beispiel: Es war von grünen Männchen die Rede und nicht direkt von russischen Soldaten. In dieser Hinsicht ist ein Umdenken unbedingt erforderlich”, erklärte sie.
Die Teilnehmer der Diskussion appellierten an die Journalistinnen und Journalisten, das Narrativ des Kremls nicht zu wiederholen.
Aleksandra Łukaszewicz, Katarzyna Makarowicz