Meine Damen und Herren,
egal, ob wir 25 Jahre alt sind oder schon über 80, gibt es in unserem Leben Momente, da uns Angst vor der Vergangenheit überfällt, vor tragischen Kriegsgeschichten. Gleichzeitig taucht Furcht vor der Zukunft und ihren neuen Bedrohungen auf. Gibt es ein Mittel gegen all dieses „Böse“?
Vielleicht genügt es, auf der Erde seinen Platz zu finden? Weit weg von Ängsten aus der Vergangenheit und Furcht vor der Zukunft …
Die Autoren der Reportage „Die kleine Polin aus Staffelde“, Joanna Skonieczna und Krzysztof Skonieczny von Polskie Radio Szczecin, die Preisträger des diesjährigen Deutsch-Polnischen Journalistenpreises in der Kategorie „Journalismus in der Grenzregion“, sind auf die Spur des echten Gemeinsamen Europas gestoßen, eines Europas ohne Vorurteile und Ängste, ohne künstliche Grenzen im Bewusstsein.
Hier, in der grenznahen deutsche Ortschaft (5 Kilometer vom nahegelegenen Gryfin), leben Deutsche und Polen in guter Nachbarschat. Die Grenze trennt sie nicht, sondern verbindet sie.
Gern besiedeln die Polen die verlassenen Gebiete auf der deutschen Seite und sanieren die baufälligen Häuser. Die Deutschen nehmen sie freundlich auf.
Marta, die Protagonistin der Reportage, ist mit ihrer Familie innerhalb weniger Jahren so hineingewachsen in die Gemeinschaft, dass sie sowohl von den Deutschen als auch den Polen mit sehr vielen Stimmen in den Gemeinderat gewählt wurde. Von allen Kandidaten belegte sie den zweiten Platz, sie hat Personen besiegt, die seit Jahren in der deutschen Kommunalregierung tätig sind. Zuvor waren schon viele Polen bei den Wahlen gestartet, aber zum ersten Mal hat „Die kleine Polin aus Staffelde“ es dorthin geschafft, wo auf der lokalen Ebene wichtige Entscheidungen getroffen werden. Dank ihrer Offenheit und ihrem Bedürfnis, andern zu helfen, hat sie das Vertrauen und die Achtung der Bewohner gewonnen und ist ein echtes deutsch-polnisches Verbindungsglied geworden.
Joanna Skonieczna und Krzysztof Skonieczny porträtieren ihre Protagonistin sehr plastisch, sehr emotional und mit einer ausgezeichneten Situationsdramaturgie im Hintergrund. Durch ihre eingehenden Beobachtungen lernen wir Marta näher kennen. Ihre originelle Persönlichkeit war der Grund für diese außergewöhnliche Reportage.
Die Autoren haben ein Fragment aus dem wahren Leben eingefangen, das am Ort des Geschehens so schnell aufgetaucht ist, dass sie die eintretenden Veränderungen live mitschreiben und mit eigenen Augen die Ereignisse in der deutschen Ortschaft sehen sowie mit Zeugen sprechen konnten. Das ist sehr wertvoller Reportagestoff!
Die künstlerischen Mittel wurden hervorragend angewendet: Geschickt wurde die Natürlichkeit des Milieus herausgearbeitet und deutlich gemacht, ohne künstliche Eingriffe.
Eine Sendung mit einer klaren Botschaft: „Es spielt keine Rolle, ob wir Polen oder Deutsche sind. Wir sind Nachbarn!“ So kann man ohne Ängste, Vorurteile und Bedrohungen leben …
Im Namen der Jury gratuliere ich den Autoren der Reportage „Die kleine Polin aus Staffelde“,
Dorota Zyń-Horbaczewska
Stettin, 21. Mai 2015