Bogna Koreng über Markus Frenzels TV-Beitrag „Löcknitz: Zuwanderungsparadies und NPD Hochburg“
Was ist Löcknitz: Zuwanderungsparadies und/oder NPD Hochburg? Was ist die Wahrheit? Auf die Suche nach ihr macht sich Markus Frenzel. Jedoch nicht allein, vor die Kamera holt er sich Verstärkung: Steffen Möller. Und sie nehmen uns mit - in den Ort, der für Fremde so offen ist und dennoch verschlossen scheint. Ein Grenzort in Deutschland, in dem immerhin fast schon 10 Prozent Polen leben - ein Paradebeispiel der Integration.
Tatsächlich?
Wir erleben einen euphorischen Bürgermeister, der stolz das Geschaffene präsentiert: Krippe, Kindergarten, Schulen- für Deutsche und Polen. Und Steffen Möller fragt nach - im modern eingerichteten Kindergarten, wie es denn „um den Beitrag zur Völkerverständigung“ wirklich steht.
Die lapidare Antwort einer Mutter: „Meine Sprache ist deutsche Sprache und das sollte so akzeptiert werden.“
Was ist der Grund dafür, dass Menschen verschiedener Nationen zwar zusammenziehen und dennoch nicht zusammenfinden?
Beschrieben wird das Spannungsfeld zwischen örtlicher Nähe und zwischenmenschlicher Ferne. Was ist die Wahrheit? Sie ist komplex, stellt der Autor fest. Zu ihr gehört auch, dass 20 Prozent im Ort die NPD wählen, dass 25 % arbeitslos sind, dass auf beiden Seiten Vorurteile das Zusammenleben erschweren.
Der Beitrag lebt und überzeugt durch seine originelle Aufmachung und Idee. Der Autor Markus Frenzel bedient sich einer Persönlichkeit, die es in Polen zum Fernsehstar gebracht hat, eines Deutschen, der es selbst erlebt hat, wie es ist, ein Fremder zu sein. Eines Deutschen, der sich peu a peu die Sprache des Nachbarlandes angeeignet und Freunde gefunden hat. Und er, Steffen Möller, weiß zielgerichtet zu fragen, nachzubohren, schonungslos.
Steffen Möller, der Suchende, legt den Finger in die Wunde - eine versteckte und doch so schmerzhafte, eine, für die sich doch viele schämen, und offen über sie nicht zu sprechen wagen. Er begnügt sich nicht mit offensichtlichen Erfolgsmeldungen, und verschont auch nicht die Zugezogenen. Wir lernen den Besitzer des schönsten Hauses im Ort kennen. Einen Polen, der sich im Keller eine hübsche Kneipe eingerichtet hat, als Besitzer einer Baufirma jedoch nur Polen einstellt.
Möller sucht nach Gründen eben nicht nur bei den Deutschen, sondern auch bei den zugezogenen Polen und vermeidet es, Klischees zu bedienen. Das Fazit nach dem Kneipenbesuch: „es hapert an Zwischenmenschlichem“.
Doch und auch das ist die Wahrheit: Hoffnungsvoll stimmt die Jugend: Sie bietet Beispiele dafür, dass „das Zusammenfinden im Kleinen schon funktioniert“. Am Gymnasium lernen Deutsche und Polen gemeinsam, verstehen sich – nicht nur auf der sprachlichen Ebene.
Es ist die gestalterische und sprachliche Dichte, die überzeugt. Der Beitrag rüttelt auf, regt auf. Markus Frenzel provoziert, berührt, hinterlässt Spuren. Das Missverhältnis zwischen 10 % polnische Einwohner und 20 % NPD-Wähler in ein und demselben Ort journalistisch aufzuarbeiten, dies ist ihm überzeugend gelungen. Dank des Spannungsbogens behält er den Zuschauer an der Hand, zieht ihn förmlich mit.
Dies ist nicht zuletzt auch aus den Reaktionen im Internet ersichtlich. Die Kommentare reichen von Entrüstung bis Unverständnis. Vor vermeintlich geringfügigen Problemen des alltäglichen Zusammenlebens die Augen nicht zu verschließen, bestehende Vorurteile als kleinbürgerlich und für zukünftiges gemeinsames Wohlergehen als nicht tragbar zu entlarven- auch dies wird dem Anliegen des Deutsch-Polnischen Journalistenpreises gerecht.
Daher geht der diesjährige Preis in der Kategorie Fernsehen n Markus Frenzel. Im Namen der Jury darf ich ihnen herzlichst gratulieren.