Während des Gespräches wurde über die Vision NATO 4.0 gesprochen, über die Verstärkung der nuklearen Kräfte, den partnerschaftlichen Dialog mit Russland, über die neue Dimension des Kalten Krieges und über Montenegros Beitritt zum Bündnis, zu dem es auf dem Gipfel in Warschau kommen soll.
Teilnehmer waren: Gustav C. Gressel (Policy Fellow, European Council on Foreign Relations), Christoph von Marschall (diplomatischer Korrespondent des Tagesspiegel), Przemysław Pacuła (Chef der Abteilung für Bündnissicherheit im Department für Strategische Analysen im Büro für Nationale Sicherheit) und der Brigadegeneral a.D. Klaus Wittmann (Senior Fellow, Aspen Institute Deutschland), der das Gespräch eröffnete, indem er die allgemeine Strategie für die weitere Entwicklung des Bündnisses darstellte.
Hauptthemen des Gespräches waren die Situation in Mittelosteuropa nach der Besetzung der Krim durch Russland im Zusammenhang mit der internationalen Sicherheit, die Zukunftsvision der NATO und die Herausforderungen, vor der das Bündnis steht. Viel Raum wurde in der Diskussion auch den Nuklearwaffen und ihrer abschreckenden Rolle gewidmet. Krzysztof Miszczak (SdpZ), der das Gespräch moderierte, sagte, dass ohne Verständigung und Verständnis für die Befürchtungen Mittelosteuropas, sich in dem Bündnis zwei Sicherheitsniveaus herausbilden werden, was nicht zulässig ist. Klaus Wittmann verlieh seiner Überzeugung Ausdruck, dass der kommende Gipfel gerade deshalb ein besonderer sein werde, weil er in Warschau stattfindet, an dem Ort, an dem einst der Pakt geschlossen wurde, der zum Feind der NATO wurde. Christoph von Marshall drückte seine Zufriedenheit darüber aus, dass die Entscheidung, den Gipfel in Polen zu organisieren, trotz des Regierungswechsels und der Kontroversen, die mit den Entscheidungen dieser Regierung verbunden sind, aufrecht erhalten wurde. Andererseits sagte er mit Nachdruck, dass wenn die Polen eine stärkere Präsenz der NATO in ihrer Region wollten, sie selbst die Werte verteidigen müssten, die das Fundament des Bündnisses bilden.
Przemysław Pacuła hingegen wies darauf hin, dass wenn man von Polen und seinen Forderungen spreche, NATO-Streitkräfte nach Mittelosteuropa zu schicken, es fälschlicherweise als Staat einstufe, das die Isolation Russlands auf der internationalen Ebene fordere. Die Polen wollen den Dialog mit Russland, aber er müsse pragmatisch sein, sprich er müsse die Veränderungen, die in der russischen Politik vor sich gegangen sind, berücksichtigen. Ähnlich äußerte sich Gustav Gressel, der jedoch postulierte, Russland als Gesprächspartner zu behandeln, obwohl es eine große Bedrohung darstellt. Man könne nicht alle Vorgehensweisen Russlands als Angriff auf die westliche Welt werten. Es gebe viele Beispiele für eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Russland und der NATO, beispielsweise in Afghanistan, im Iran und sogar in Syrien. Man dürfe auch nicht in Lachen ausbrechen, wenn russische Vertreter auf internationalen Konferenzen sprechen, selbst wenn die von ihnen präsentierte Vision nicht real erscheint. Derartiges Verhalten vereinfache die Gespräche nicht, sondern fördere die Komplikationen. Leider aber käme dies vor.
Zu den Themen, die auf dem Gipfel im Juli besprochen werden sollen, gehören auch die Frage der Verstärkung der Südflanke der NATO, die Anzahl der rotierenden Bündnistruppen und die Zusammenarbeit mit Schweden und Finnland. Verstärkt werden sollen auch die nuklearen Kräfte, denn – so Marschall – das Bündnis sei nicht in der Lage, seine Macht zu demonstrieren, es sei nicht in der Lage, mit Stolz und Überzeugung Putin zu zeigen, dass es in der Lage ist, seine Bündnisstaaten zu verteidigen. In der nächsten Zeit plant die NATO keine Erweiterung, sie will aber, dass sich die europäischen Staaten, vor allem die, die vor nicht allzu langer Zeit Mitglied geworden sind, stärker für die Erhaltung der Sicherheit in ihrer Region einsetzen. Der Gipfel in Warschau soll auch den Status quo zu den Nuklearwaffen und dem einst erarbeiteten Kompromiss bestätigen, der besagt, dass sie lediglich als abschreckendes Element dienen sollen. Gleichzeitig soll die NATO ihre Macht zeigen und Russland bewusst machen, dass ein eventueller Angriff auf einen Mitgliedsstaat ein Angriff auf das gesamte Bündnis wäre.