Im Vorfeld der Medientage hat die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit zusammen mit dem Collegium Civitas ausgewählte Print- und Fernsehmedien analysiert. Die Analyse umfasste u.a. folgende Medien: Fakt und BILD, Polityka und Der Spiegel.
Die Studie wurde von Prof. Stanisław Mocek, Medienwissenschaftler am Institut für politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften, durchgeführt. Die Medien wurden unter zwei Aspekten betrachtet: 1. Positionierung (welche Informationen kommen an erster Stelle/auf den ersten Seiten) und 2. Thematische Analyse (die Krise in der Eurozone, die EURO 2012 und die Präsidentschaftswahlen in Russland).
Auffällig war, dass viele deutsche Medien wirtschaftliche Themen behandeln. Das Thema Wirtschaft wird hier vielgestaltiger bearbeitet als in den polnischen Medien, was sich aus den unterschiedlichen Rollen Polens und Deutschlands bei den Entscheidungsprozessen in der Europäischen Union ergibt. So kommt Griechenland in deutschen Informationsprogrammen häufiger vor als in polnischen. Vor allem wurde Griechenland im Zusammenhang mit finanzieller Hilfe erwähnt, was wiederum auf das größere finanzielle Engagement Deutschlands zurückzuführen ist. Ganz andere Tendenzen haben sich bei dem Thema Fußballeuropameisterschaft gezeigt: Weil Polen Gastgeber ist, befassen sich die polnischen Medien mit Fragen zur Infrastruktur in Polen und der Ukraine, zum Bau des Nationalstadions in Warschau, zu Rücktritt und Prämie für den Chef des Nationalen Sportzentrums etc. Bei Ereignissen, die Deutschland und Polen nicht direkt betreffen, wie beispielsweise die Präsidentschaftswahlen in Russland, wurden in den deutschen und polnischen Medien dieselben Themen festgestellt: Komitees, Demonstrationen für und gegen Putin, der Wahlkampf, Werbespots, Versprechung, die Armee aufzurüsten, etc.
Die Studie zeigt, dass die deutschen Medien zum Universalismus und die polnischen Medien zum Lokalen bzw. zum Partikularismus tendieren. Zwar konnten in Bezug auf die Inhalte Unterschiede festgestellt werden, in Bezug auf die Form jedoch nicht. Es herrscht eine gewisse Unifizierung in den deutschen und polnischen Medien, unabhängig davon, wer Eigentümer des jeweiligen Mediums ist. Die deutschen Medien wirken objektiver und universeller, die polnischen emotionaler, subjektiver, regionaler, stärker von kulturellen und gesellschaftlichen Themen geprägt.
Für Jarosław Gugała (POLSAT), war diese Studie keine Überraschung. Nach 1989 mussten in Polen neue unabhängige Medien aufgebauen werden, während die deutschen Medien sich bereits entwickelt hatten und auf fertige Vorbilder zurückgreifen konnten. In Polen mussten unabhängige Medien ihren Platz im politischen System finden. Erst nach 1989 war es möglich, dass 95% der Nachrichten Informationen über das Ausland beinhalteten. Heute wird deutlich, dass die Einschaltqouten sinken, wenn nicht über Katastrophen berichtet wird. Es gibt kaum Informationen über das Ausland, weil die Leser und Zuschauer sich dafür nicht interessieren.
Nach Thomas Urban, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Polen, spiegelt sich in den Medien die Gesellschaft. Deutschland sieht Urban als eine Konsens- und Kompromis-, Polen hingegen als Konfrontationsgesellschaft, in der viel Auseinandersetzung erfolgt.
Piotr Kraśko begründet das geringe Interesse der polnischen Medien an der Eurozone damit, dass Polen nicht zu dieser gehört. Aus seiner Sicht wird die polnische politische Landschaft immer normaler.
Petra Lidschreiber empfindet Europa als ethno- und geozentrisch. In Polen werde in den Medien viel Historisches berichtet, in Deutschland werden historische Themen zu den jeweiligen Jahrestagen aufgegriffen. Lidschreiber wünscht sich mehr überregionale Diskussionen, z.B. zum Thema Arbeitsplätze für Europa. Sylvia Bleßmann (ZDF) betonte hingegen, dass auch regionale Inhalte, wie die Entwicklung in der Grenzregion, für nationale Medien Thema sein könnten. In letzter Zeit seien immer mehr Nachrichten aus der Grenzregion gebracht worden (Bsp.: Ein Pole als Chefarzt einer deutschen Klinik, Tanken in Polen etc.)
Natürlich wurden auch die Probleme der Ukraine diskutiert. Jarosław Gugała stellte fest, dass sich Polen mehr als Deutschland mit den Angelegenheiten der Ukraine befasst, weil das Bewusstsein für das politische System der Ukraine in Polen größer sei. Die Ukraine sei für Polen der einzige Weg, Russland zu verstehen. Petra Lidschreiber stimmte dem zu und ergänzte, dass Polen von der Ukraine mehr verstünden als Deutsche. Thomas Urban äußerte sich in dieser Frage hingegen folgendermaßen: „Polen und die Ukraine unterscheiden sich nicht sehr voneinander – sie haben beide keine Illusionen, was Putin betrifft.”
Aus dem Publikum kam der Vorwurf, dass das Radio bei der Analyse nicht berücksichtigt wurde. Professor Mocek argumentierte, die Studie sei kurzfristig erstellt worden und das Radio habe in Polen als Medium keine starke meinungsbildende Kraft.
Zum Abschluß wurden die Gäste gefragt, ob ihrer Meinung nach die EM das Polenbild verändern wird. Sylvia Bleßmann bejate diese Frage, es würden jede Menge Reportagen entstehen, und es werde eine Million Gäste erwartet, die bestimmt auch nach der EM wiederkommen würden. Zusammenfassend sagte Jarosław Gugała: „Es liegen schwierige Zeiten hinter Polen und Deutschland. Die Medien können es nicht mehr zulassen, dass Politiker die Zusammenarbeit und die Beziehungen in der Grenzregion untergraben.“