Unsere soziale Auseinandersetzung. Der Journalistenpreis in der Kategorie Fernsehen wurde verliehen.

Der prämierte Fernsehbeitrag des Journalisten des polnischen Fernsehsenders TVN24 war eine von zwei nominierten Reportagen dieses Autors, die in der Sendung Czarno na białym (dt. Schwarz auf weiß) ausgestrahlt wurden. In der Reportage Deutsche Dilemmata schaut sich Arkadiusz Wierzuk die Deutschen nach dem 24. Februar 2022, d. h. nach Beginn des Krieges in der Ukraine, an. Wie er anmerkt, handelt es sich dabei um eine Konfliktsituation insofern, dass der Albtraum im Osten von Russland ausging – einem Alliierten in Sachen Wirtschaft und Politik. Der prämierte Beitrag zeigt Stimmungen und Haltungen der Deutschen, die, wie es sich herausstellt, nicht eindeutig sind. Er erklärt, worin der deutsche Pazifismus besteht und ob wir gerade mitten in seiner Revolution stecken.

Die Jury wusste die Reportage wegen seines Tempos und Rhythmus zu schätzen, die die Aufmerksamkeit der Zuschauer*innen, trotz des schwierigen Themas, bis zum Ende fesseln. Die Aufnahmen, der Schnitt und die Gesprächspartner ergeben ein in sich geschlossenes Gesamtwerk, das provoziert und zur Reflexion anregt. In seiner Rede nach der Preisverleihung unterstrich der Autor, dass der Mut von Menschen, die sich nicht gescheut haben, schwierige Fragen zu beantworten, das Wertvollste an seiner Reportage ist.

Der andere Beitrag von Arkadiusz Wierzuk Reparacje i reakcje / Reparationen und Reaktionen spricht auch das Kriegsthema an, doch es wird aus einer ganz anderen Perspektive dargestellt. Der Autor nimmt die Frage der Reparationen für die im Zweiten Weltkrieg verursachten Schäden nochmals auf. Ein Thema, das für viel Aufregung in der polnischen Politik in den letzten Jahren gesorgt hat und eines der wichtigsten immer wiederkehrenden Themen in den deutsch-polnischen Beziehungen ist. Der Bericht zeigt die Sichtweisen der Einwohner auf beiden Seiten der Grenze. Es wird untersucht, ob die Stimmen der Politiker einen Einfluss auf die normalen Bürger*innen und ihre nachbarschaftlichen Beziehungen haben.

Nominiert für den Preis wurde auch die Reportage Nummer 161.896 – Der letzte Häftling von Dachau, die das Thema der Geschichte und der Gesellschaft aufgreift. Sie erzählt von Mieczysław Charecki, dem ehemaligen Häftling in drei Konzentrationslagern. Am 27. April 1945 kam er als der letzte registrierte Häftling in das Konzentrationslager Dachau. Die Autoren der Reportage sind Christian Stücken und Thomas Muggenthaler.
Am Beispiel des letzten Häftlings zeigen sie nicht nur das tragische Schicksal eines Menschen, sondern auch seine Ausdauer und Unbeugsamkeit.

Das Thema des Krieges und der Kriegsopfer wird auch im Beitrag Leben an der Sperrzone von Agnieszka Hreczuk und Wioletta Weiss behandelt. Der Beitrag zeigt, wie unterschiedlich die Situation an der polnischen Grenze: mit der Ukraine und mit Belarus, ist. Während die polnisch-ukrainische Grenze von Tausenden ukrainischer Flüchtlinge belagert wird, bleibt die Grenze zwischen Polen und Belarus relativ ruhig. Doch weiterhin versuchen Flüchtlinge aus dem Nahen Osten jeden Tag, über diese Grenze in die Europäische Union zu gelangen. Der Beitrag zeigt, wie unterschiedlich Menschen behandelt werden, die zwar aus verschiedenen Regionen der Welt kommen, doch das ähnliche Schicksal teilen. Die Reportage konzentriert sich auf die Bewohner der Grenzgebiete, die entscheiden müssen, wem sie vertrauen können, den Vertretern der Regierung oder den Flüchtlingen aus dem Nahen Osten.

 

Unter den diesjährigen Nominierungen gab es auch einen Beitrag zum Thema Kultur und Kunst. Der Beitrag Von der Fabrik zur Kunst: Das Museum Sztuki in Lodz von Sylvie Kürsten erzählt von der industriellen wie künstlerischen Revolution, welche die Stadt Lodz über Jahrhunderte hinweg geprägt und die Entstehung dieses besonderen Museums ermöglicht hat. Zusammen mit den Zuschauern*innen entdeckt Sylvie Kürsten eines der ersten abstrakten Museen weltweit. Dort, wo 1900 noch Textilien hergestellt wurden, kann man heute u. a. die Werke von Joseph Beuys bewundern. Die Autorin zeigt die Ungewöhnlichkeit dieses Ortes, dessen Stil und Charakter in den 60er dem Westen noch nicht bekannt waren.

Der thematische Schwerpunkt der diesjährigen nominierten Beiträge lag vor allem auf sozialer Auseinandersetzung, nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit, sondern auch auf die Gegenwart. Durch die Geschichten der einzelnen Menschen wurden Erfahrungen ganzer Gemeinschaften veranschaulicht. Die ausgezeichneten Reportagen zeigten, wie viele Lehren wir nach wie vor aus der gemeinsamen Vergangenheit ziehen können, um nicht die gleichen Fehler zu begehen. Nicht die Politik oder Wirtschaftsinteressen sollten in Krisensituationen im Vordergrund stehen, sondern der Wille, andere zu retten, und die Einfühlsamkeit für das tragische Schicksal anderer.

 

Von Eliza Kunath und Michał Szarek