Polnische und deutsche Journalisten haben untersucht, ob polnisch-deutsche Stereotypen noch immer funktionieren. Ist jeder Pole ein Autodieb, und war der Großvater eines jeden Deutschen bei der Wehrmacht? Diese Fragen haben sich polnische und deutsche Journalisten gestellt, die an dem Workshop „Das Bild Deutschlands und Polens in der EU“ im Rahmen der Deutsch-Polnischen Medientage in Potsdam teilgenommen haben. Die Diskussionsrunde wurde von Piotr Jendroszczyk (Rzeczpospolita) und Jan Puhl (Der Spiegel) geleitet.
Als einstiger Korrespondent in Berlin ist es Piotr Jendroszczyk aufgefallen, dass seit 2004 das Interesse an Polen unter den Deutschen gestiegen ist. Den Wendepunkt brachte der EU-Beitritt Polens. Dennoch funktioniert in den Medien weiterhin der Stereotyp Polens als zurückgebliebenes Land, durch das sprichwörtliche weiße Bären laufen, und der negative Begriff „polnische Wirtschaft“ weiterhin aktuell sei. Aus Statistiken geht hervor, dass lediglich 25 Prozent der Deutschen Polen sympathisch finden, und dass zu den häufigsten Assoziationen des polnischen Volkes Diebstahl und Verbrechen gehören. „Es ist nicht so rosig, wie es scheint. Die historischen Themen wurden abgeschlossen, aber die gesellschaftlichen Fragen bedürfen wegen der unterschiedlichen Mentalität beider Völker sehr viel Arbeit“, fasste Jendroszczyk zusammen.
Der zweite Moderator charakterisierte das Image der Deutschen in den polnischen Medien, indem er verschiedene Titelseiten des Wochenmagazins Wprost vorstellte. Auf diese Weise wollte er die positiven Veränderungen zeigen, die in der polnischen Gesellschaft vor sich gegangen sind. Auf einem Cover, das mehrere Jahre alt ist, war Aleksander Kwaśniewski als Pudel von Angela Merkel zu sehen. Auf einem der letzten Cover hingegen ist Angela Merkel Mensch des Jahres 2013. Jan Puhl wies auch darauf hin, dass einst die Polen im deutschen Bewusstsein ausschließlich als Bauarbeiter und Putzfrauen funktioniert haben – heute aber können sie auch Unternehmer sein.
Eines der Hauptthemen, das die Teilnehmer aufgriffen, war das Image beider Länder in den landesweiten und den regionalen Medien. Lukas Wasielewski, Leiter der Presseabteilung der Deutschen Botschaft in Warschau, sagte, dass es in der polnischen Presse an Texten über die zeitgenössische deutsche Gesellschaft fehle. Dieser Meinung stimmte Agnieszka Hreczuk, Reporterin des Tagesspiegels, zu und ergänzte, dass auf deutscher Seite das Interesse am polnischen Alltag immer deutlicher werde. Ein Beispiel seien regionale Zeitungen, in denen einmal in der Woche eine ganze Seite Polen und lokalen Unternehmern gewidmet werden. In die polnischen Medien gelangen am häufigsten Themen über deutsche Misserfolge, beispielsweise über den sich hinziehenden Bau des Berliner Flughafens.
Am Ende der Diskussion stellte Jan Puhl die wichtige Frage: Hat das sich verändernde Image beider Länder in den Medien Auswirkungen auf das Bewusstsein der Bewohner?
Karina Leśniewska, Anna Stańczak