Die Stadt Zielona Góra (Grünberg) und die Woiwodschaft Lubuskie sind für drei Tage Hauptstadt der polnischen und deutschen Medien. Rund 300 Pressevertreter sowie geladene Gäste sind von beiden Seiten der Oder angereist. Die 4. Deutsch-Polnischen Medientage haben am 30. Mai unter der Schirmherrschaft des Präsidenten der Republik Polen Bronisław Komorowski begonnen. Der offizielle Auftakt fand in der Grünberger Philharmonie statt. Die Medientage stehen in diesem Jahr unter dem Motto "Agenda 2031: Die nächsten 20 Jahre Nachbarschaft - Polen, Deutschland und die EU".
Die aktuelle Ausgabe der Deutsch-Polnischen Medientage ist dem 20. Jahrestag des Vertrags zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit gewidmet.
Während der Debatten, die am 31. Mai im Marschallamt in Zielona Góra stattfinden werden, wollen die Veranstalter das Augenmerk nicht nur auf die Errungenschaften Polens und Deutschlands in den letzten zwei Jahrzehnten richten, sondern auch versuchen, nach vorn zu blicken und darüber nachzudenken, was beide Länder in den nächsten 20 Jahren nicht nur für ihre Gesellschaften tun können, sondern für das vereinte Europa und für die Nachbarn der Europäischen Union.
Die Veranstalter der Deutsch-Polnischen Medientage sind neben der Woiwodschaft Lubuskie die Robert Bosch Stiftung und die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. In ihrem Namen begrüßte Małgorzata Ławrowska, Direktorin der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, die in der Philharmonie anwesenden Gäste. „Das laufende Jahr gibt Anlass, Ereignisse zusammenfassen. Die Agenda 2031 hingegen konzentriert sich auf das, was vor uns liegt", so Ławrowska. Sie dankte der Stadt Zielona Góra, die gern die Rolle des Gastgebers des Abends übernommen hat.
Die stellverstretende Stadtpräsidentin Grünbergs Wioleta Haręźlak bestätigte, dass diese Rolle eine besondere Auszeichnung für die Stadt ist. Jolanta Fedak, Ministerin für Arbeit und Soziales, sprach in ihrer Rede über ihre Erfahrungen mit der deutsch-polnischen Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen. „Wenn ich heute auf die vielen – nicht immer erfreulichen Ereignisse – in den vergangenen Jahren zurückblicke, bin ich stolz darauf, dass sich unsere Beziehung anders entwickelt haben. Nie hätte ich gedacht, dass wir Polen einmal mit der deutschen Arbeitsministerin über die gleichen Themen diskutieren würden.” Fedak fügte hinzu, dass die Rolle der Journalisten nicht hoch genug geschätzt werden kann. „Ich hoffe, dass die Journalisten auch in den nächsten 20 Jahren die deutsch-polnische Integration berichtend begleiten werden“, sagte Ministerin Fedak.
Nach den Grußworten eröffnete der Chefredakteur des Wochenmagazins Polityka, Jerzy Baczyński, mit der keynote speech „Die Zukunft der Medienlandschaft“ thematisch die Grünberger Medientage. Wie sieht die Zukunft der Medien aus? Was erwartet sie und uns? „Eine mögliche Vision ist, dass die traditionellen Medien bis dahin aufgehört haben zu existieren.“ Jeder werde jederzeit global Zugriff auf jede Information haben, so Baczyński. Er fügte hinzu, dass nach gängiger Expertenmeinung das Phänomen „Massenmedium“ bereits der Vergangenheit angehöre. Die große Revolution sei mit dem Aufkommen von 24-Stunden-Themenkanälen gekommen und wurde lediglich durch das Internet verstärkt. „Heute haben wir Blogs, Facebook, Twitter. Und was sind die Konsequenzen? Wir alle kämpfen um immer mehr Zeit und immer mehr Aufmerksamkeit des Lesers und Zuschauers. Die Ökonomie der Aufmerksamkeit ist eine Frage des Überlebens.”
Im Kampf würden alle auf die Allzweckwaffe Emotionalität setzen, die dann der Boulevardisierung Vorschub leiste. Allerdings hätten die traditionellen Medien damit begonnen, sich diesen neue Rahmenbedingungen anzupassen und Strategien zu entwickeln. „Ich glaube, dass journalistische Qualität gerade morgen eine Zukunft hat“, so Baczyński. Nach der keynote fand mit der Diskussion „Demokratisierung durch Technik. Wie verändern Twitter, soziale Netzwerke und Blogs die politische Kultur? Wie reagieren die klassischen Medien darauf?“ das erste Panel der diesjährigen Medientage statt. Die Teilnehmer waren: Alexander Diekmann, Geschäftsführer der Verlagsgruppe Passau GmbH, Paweł Majcher, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Polnischen Rundfunks und Andrzej Skworz, Chefredakteur des Branchenmagazins Press. Es moderierten Prof. Dr. Jo Groebel, Direktor des Deutschen Digital Instituts Berlin und Radosław Krawczyk vom PolitBlog Salon24.pl.
Die Podiumsteilnehmer diskutierten vordergründig die Frage, ob neue Technologien eine Bedrohung oder eine Chance für die Entwicklung der Medien sind. „Die größte Bedrohung, die der Internetjournalismus mit sich bringt, ist, dass sich die Autoren im Netz nur schwer kontrollieren lassen. Anders ist es in der traditionellen Presse, wo ein Journalist die Verantwortung für seinen Text trägt. Im Internet kontrolliert das niemand. Andererseits ist es demokratisch und wichtig, dass Themen auftauchen, die die Menschen interessieren und in ihnen das Bedürfnis wecken, ihre eigene Meinung auszudrücken. Es ist eine Tatsache, dass derzeit im Netz Realität und Authentizität entstehen“, sagte Groebel.
Die Teilnehmer besprachen auch die Frage, ob die neuen Medien eine Bedrohung für die Demokratie werden können oder ob sie eher ein neues Modell dieser Demokratie entwickeln. „Früher hat man mehrere Zeitungen gelesen, verschiedene Meinungen gehört und so hat man sich seinen eigenen Standpunkt erarbeitet. Das ist jetzt nicht mehr so. Das ist eine Bedrohung für die Demokratie. Die Gesellschaft wird um Standpunkte ärmer“, sagte Alexander Diekmann. Einen anderen Gesichtspunkt stellte Andrzej Skworz heraus: „Ob das eine Bedrohung ist? Ganz sicher, aber für mich als Verleger. Als Bürger nutze ich die neuen Möglichkeiten, um an Informationen zu gelangen. Die neuen Medien sind billiger schneller und – das ist vielleicht das wichtigste – wir können sie selbst kreieren. Ich glaube daran, dass diese Technologien zu etwas Natürlichem werden. Ich glaube daran, dass uns das Internet helfen und nicht bedrohen wird. Als Verleger jedoch fürchte ich, dass wir uns professionellen Journalismus nicht mehr werden leisten können.“ Paweł Majcher kommentierte die Frage folgendermaßen: „Ich bin Optimist. Das Internet bietet den traditionellen Medien die Chance, neue Lesergruppen zu erschließen. Ich denke, dass das nicht schlecht ist. Unter den Portalen dominieren die, die auf traditionelle Medien verweisen. Ich bin der Meinung, dass die Socialmedia eine riesige Chance bieten, einen neuen Lesertyp zu gewinnen.“ Die Podiumsteilnehmer sprachen auch darüber, ob diese beiden Welten – die traditionellen Medien und die, die auf neuen Technologien beruhen – in der Lage sein werden, eine gemeinsame Ebene zu finden. „Ich denke, dass das Problem darin besteht, dass es dafür kein Geschäftsmodell gibt. Doch es ist wohl eine Frage der Zeit, wann ein Modell erarbeitet wird, mit dem die traditionellen Medien beginnen, im Internet Geld zu verdienen. Das wird dann die Ebene der Zusammenarbeit sein“, so Majcher.
Der feierliche Akzent der Deutsch-Polnischen Medientage wird die Vergabe des 14. Deutsch-Polnischen Journalistenpreises sein. Unter den 173 zum Wettbewerb eingereichten journalistischen Beiträgen hat die Jury 18 Arbeiten in den drei Kategorien PRINT, RADIO und FERNSEHEN nominiert. Die Gewinner werden am Dienstag den 31.05.11 während der feierlichen Gala im Lebuser Theater bekannt gegeben. Die Preise sind mit jeweils 5.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung wird von Elżbieta Polak, der Marschallin der Woiwodschaft Lubuskie eröffnet und die feierliche Ansprache wird der deutsche Fernsehjournalist und langjährige Chef des WDR und der ARD Fritz Pleitgen halten.
Zielona Góra, 30.05.2011