Wessen Konzentrationslager?

Über politische und gesellschaftliche Aspekte des historischen Journalismus und darüber, wie man eine Empfehlung erarbeitet, die Medien dazu anhalten soll, sich eines schwierigen Themas anzunehmen …

„Es stimmt, dass es keine polnischen Konzentrationslager gab“, sagte Jan Puhl, Redakteur beim Spiegel und einer der Moderatoren des Workshops im Rahmen der Deutsch-Polnischen Medientage in Stettin. Die Diskussion unter dem Titel „Der Begriff ,polnische Konzentrationslager‘ und seine Entgegennahme im westlichen Europa“ befasste sich mit der Tatsache, dass diese falsche Formulierung von Medien benutzt wird. Dies ist ein Begriff, der in Polen viel Verbitterung hervorruft und, wie sich herausgestellt hat, auch gerichtliche Klagen.


Im ersten Teil der Diskussion sprachen die Juristen Lech Obara und Piotr Duber, die mit ihrer Arbeit gegen die Verwendung von „falschen Gedächtniscodes“ kämpfen. Rechtsanwalt Obara erzählte von seinen Bemühungen bei der Konfrontation mit dem Medienkonzern Axel Springer, dem Herausgeber von Titeln wie Die Welt und BILD. Piotr Duber hingegen stellte in Bezug auf den Film „Unsere Mütter, unsere Väter“ Fragen nach der Grenze der Meinungsfreiheit, nach der historischen Wahrheit und nach journalistischer Redlichkeit und Berufsethik. Er warf den Filmemachern vor, mit Manipulation gearbeitet zu haben, um das Ausmaß des Leides des deutschen Volkes während des Zweiten Weltkrieges zu zeigen und Fälle von Antisemitismus in der Heimatarmee zu suggerieren.


Über die Emotionen, die von dieser unglücklichen Formulierung ausgelöst werden, wurde im zweiten Teil des Workshops diskutiert. Jan Puhl sprach verständnisvoll über die Opfer von Naziverbrechen und über ihre Nachkommen, die von dieser falschen Terminologie in den Medien getroffen sind. Er bezweifelte, dass es gut ist, das Problem über gerichtliche Instanzen zu lösen. Eine bessere Lösung sei eine fachliche und vielseitige öffentliche Debatte.


Piotr Semka, Journalist von Do Rzeczy, sprach davon, dass die deutsche Presse die Verwendung solcher Begriffe in den Medien mit Zufall und immer schlechter Bildung der Redakteure begründet. Er räumte ein, dass das Thema „Holocaust“ in Deutschland durchgearbeitet wurde, während das Bewusstsein über die Verbrechen an Polen in den Hintergrund getreten sei. Ärgerlich sei für ihn das Verhalten deutscher Publizisten, die mit „einer Mischung aus vorsichtigem Zureden und Psychoanalyse“ die Polen dazu ermuntern, ihre eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. Er bemerkte auch, dass die Tageszeitung BILD von intellektuellen Kreisen ignoriert werde, während sie aber Deutschlands Öffentlichkeit gestalte. Davon, sprich von der Frage des redlichen Journalismus, dem Wägen von Worten und dem Vermeiden von Manipulation, handle Heinrich Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Der Autor habe in seinem Buch gezeigt, wie die Mechanismen einer skrupellosen Presse in der Lage sind, einen normalen Bürger dazu treiben, einen Mord zu verüben.


Die Äußerungen der Moderatoren riefen im Publikum einen lebendigen Meinungsaustausch hervor. Jan Puhl wurde danach gefragt, wie die von ihm vorgeschlagene Debatte aussehen solle; er unterstrich die Bedeutung von Maßnahmen des polnischen Außenministeriums. Zum wiederholten Male betonte er, dass er weder die Opfer der Polen während des Zweiten Weltkrieges relativieren, noch die Geschichte reinwaschen wolle. Er unterstrich, dass hinter diesen journalistischen Fehlern keine konzentrierte Kampagne gegen Polen steht.


Zum Schluss sprachen die Moderatoren den Wunsch aus, dass an einer solchen Diskussion Vertreter teilnehmen, die das breite Spektrum der deutschen Medien repräsentieren. Eine solche Debatte würde eine vielseitige Betrachtung des Problems ermöglichen und eine solide Grundlage für einen redlichen und nicht sensationslüsternen Journalismus bieten.

Maja Dębska, Patrycja Jelińska, Małgorzata Marchwiana