Neue Medien – neue Herausforderungen

Wie verändern die neuen Medien die Anforderungen, die an Journalisten gestellt werden? Sind sie zuverlässige Informationsquellen? Welche Gefahren bergen sie? Diese Fragen wollten die Teilnehmer des Workshops, der im Rahmen der 8. Deutsch-Polnischen Medientage 2015 stattfand, beantworten.



Eine der Veranstaltungen am Nachmittag des 22. Mai befasste sich mit neuen Medien. Moderiert wurde sie von Paulina Olechowska von der Universität Stettin und von Marlis Prinzing, Dozentin für Journalistik am Campus Köln der MHMK. Beide Moderatorinnen befassten sich als einen Schwerpunkt des Workshops mit den neuen Medien, die Journalisten in Polen und Deutschland nutzen und mit den Herausforderungen.


Aus Paulina Olechowskas Forschungen geht hervor, dass immer weniger Polen (etwa 15 Prozent) den Journalistenberuf als vertrauenswürdig empfinden. Menschen, die für Medien arbeiten, hätten eine negative Reputation, unter anderem aufgrund ihres enormen Einflusses auf das politische und gesellschaftliche Leben und auf die Einschränkung der Berichterstattung. Es entstehe mehr Informationsmaterial als publizistisches Material, und die Massenmedien berufen sich auf soziale Medien, was schrittweise zur Tabloidisierung der Medien führe. 96 Prozent der befragten Journalisten nutzen soziale Medien zur Ergänzung ihres Wissens, jeder zweite sehe in den sozialen Medien zuverlässige Informationsquellen.

„Die Möglichkeiten der neuen Medien werden die journalistische Arbeit durch neue Instrumente ergänzen, sie werden aber nicht die traditionellen Arbeitsweisen ersetzen“, sagte Marlis Prinzing. „Sie stellen uns vor neue Herausforderungen. Beispielsweise bleibt zwar die grundsätzliche Haltung, dass Journalisten Fakten überprüfen müssen, aber die neuen Medien verlangen, dass man neue Techniken lernt, um  Informationen zu verifizieren.“ Marlis Prinzing verwies ebenfalls auf das sinkende Ansehen von Journalisten: „Ich komme aus einem Land, in dem die Reputation der Journalisten sich immer mehr verschlechtert, vorangetrieben zum Beispiel durch Protestbewegungen wie  „Legida“ und „Pegida“, die unter anderem Medien als „Lügenpresse“ beschimpfen, aber auch durch Publikumsproteste gegen die Berichterstattung vieler deutscher Medien über die Ukraine-Krise und über den Absturz des Germanwings-Flugzeugs im März 2015 in den Französischen Alpen; dagegen lägen beim Selbstregulierungsgremium Deutscher Presserat 430 Beschwerden vor. „Natürlich gibt es Journalisten, die schlecht arbeiten, aber man darf nicht die ganze Berufsgruppe verurteilen“, so die Dozentin. Journalismus sei sehr wichtig für eine demokratische Gesellschaft. Sie verglich ihre Bedeutung für einen gesunden Diskurs in einer Gesellschaft mit der Verantwortung von Ärzten für die Gesundheit des Volkes. Die Medienethik liefere die Regeln, dass dieser Diskurs auch fair ablaufe. Sie gründe in der Philosophie und in berufsethischen Empfehlungen und liefere einen Kompass für die Entscheidung, was aus welchen Gründen zu veröffentlichen ist, und ermögliche Entscheidung- und Argumentationssicherheit für Journalisten.


In Deutschland sind die neuen Medien zwar weit verbreitet, sowohl in der Gesellschaft als auch unter Journalisten. Aber gerade professionelle Journalisten nutzen die Möglichkeiten, die sich bieten, oft nicht aus. Für professionelle Journalisten kann besonders Twitter ein wichtiges Recherchewerkzeug sein; es kann neuen Zugang zu Experten verschaffen, ins Gespräch mit dem Publikum bringen, helfen, Themen, die viele beschäftigen herauszufinden, und empfehlenswerte Texte verbreiten. Bislang nutzen aber noch zu wenige Journalisten diese Potenziale aus.

Die Teilnehmer sagten, die junge Generation öffne sich wesentlich schneller für Veränderungen, aber auch die Älteren bemühen sich, ihre digitalen Kenntnisse aufzubessern. Paulina Olechowska wies darauf hin, dass die Polen enttäuscht seien von der Arbeit der Journalisten, die einflussreicher als Politiker geworden seien, sich von der Kommerzialisierung beherrschen ließen und ihre Verbundenheit mit der jeweiligen politischen Richtung nicht verbergen würden.
„Dies kommt durch die sozialen Medien und das Internet, die zusätzlich die Generationsunterschiede zwischen den Journalisten vertiefen und negativen Einfluss haben auf das Verantwortungsgefühl für die Veröffentlichung von Inhalten“, so Olechowska.

Das Publikum wies auf die geringe Glaubwürdigkeit der sozialen Medien hin. Ein gutes Beispiel sei die publizistische Sendung, in der der Moderator, Worte zitierte, die, wie sich später herausstellte, von einem gefälschten Benutzerkonto der Tochter des Präsidentschaftskandidaten stammten. Die ungeprüfte Information führte dazu, dass der Sendung fehlende journalistische Gründlichkeit vorgeworfen wurde.

Es gab Wortbeiträge darüber, dass durch die sozialen Medien das Niveau des Journalismus sinke und dass sie die Grundsätze der journalistischen Ethik ins Wanken bringen. Gleichzeitig betonten Lokaljournalisten, dass die neuen Medien im Hinblick auf die Geschwindigkeit des Informationstransfers zu einer wichtigen Informationsquelle werden. Die Rolle des Journalisten müsse neu definiert werden. Seine Aufgabe bestünde nicht nur darin, Informationen zu liefern, sondern auch die Quellen, die er nutzt, zu verifizieren. Die Teilnehmer wiesen auf Eigenschaften der neuen Medien hin wie der schnelle Zugang zu Spezialisten und Promotion-Tools, die den Dialog mit dem Publikum und ein Feedback von diesem ermöglichen. Paulina Olechowska schlug vor, eine Anleitung zur Nutzung von sozialen Medien vorzubereiten, ähnlich wie sie vor der Fußballeuropameisterschaft 2012 von einem polnischen kommerziellen Sender erstellt worden war. Dieser innere Katalog des Senders setzte die solide Verifizierung der Informationen mittels vorangegangener entsprechender Recherche voraus.


Die Diskussion während des Workshops war hartnäckig, was durch den Unterschied in der Wahrnehmung der neuen Medien durch die Teilnehmer begründet war.  Die ältere Generation schmälerte die Rolle der sozialen Medien und warf ihnen Unglaubwürdigkeit vor, und sie  führten zu Degradierung des Ansehens von traditionellem Journalismus. Es fehlte die Stimme der jungen Generation, für die die neuen Medien Alltag sind. Unabhängig von der Medienart sollte ein guter Journalist einfach ein guter Mensch sein, war eine häufig vertretene Ansicht.

Agnieszka Bąder, Sylwia Ławrynowicz, Martyna Słowik; Junge Redaktion der SdpZ