Fot. Hans Scherhaufer
Über die Bedeutung der Sprache in Zeiten der neuen, europäischen politischen Realität diskutierten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Populismus, Migration und das postfaktische Zeitalter“. Trotz der unterschiedlichen Herangehensweisen an das Thema, waren sich alle darüber einig, dass die Journalisten die Verantwortung für ihre Worte tragen.
Die Teilnehmerin Alice Lanzke von „Neue Deutsche Medienmacher“ (NdM) hob das Phänomen des „neuen Bewusstseins“ im Kontext der journalistischen Arbeit hervor. Dies hänge mit den Veränderungen im Europa der letzten Jahre zusammen. Lanzke, die sich tagtäglich mit dem Problem der Sprache des Hasses auseinandersetzt, ist der Meinung, dass die Benennung von kontroversen Phänomenen gesellschaftlichen Widerhall findet. Grundlage für das Verstehen der zeitgenössischen Mediensprache sei ein „Glossar“, das von NdM herausgegeben wird. Das Wörterbuch soll die Unterschiede zwischen den Begriffen erklären, die in der öffentlichen Debatte auftreten. Es geht um die konkrete Benutzung und Definition der Wörter „Immigrant“, „Emigrant“, „Flüchtling“ usw.
„In den letzten zwei, drei Jahren, habe ich mehr darauf geachtet, wie ich schreibe“, sagte Wojciech Szymański von der Deutschen Welle. Der Journalist sagte, die Flüchtlingskrise habe wesentlichen Einfluss auf die Sprache, derer sich die Medien bedienen. Szymański unterschied den polnischen und deutschen Pressemarkt. Die Nachbarn auf der anderen Seite der Oder seien an die Mitte-Links-Perspektive gewöhnt, in Polen hingegen sei wesentlich mehr Populismus wahrzunehmen.
Eine radikalere Position in dieser Sache vertrat Aleksandra Rybińska von „wSieci“. Die Journalistin bezog sich auf polnische rechte Medien und sprach von Meinungsfreiheit und dem Nichtvorhandensein von Selbstzensur, die bei westlichen Redaktionen verbreitet sei. Sie erwähnte ein Cover ihrer Zeitung, das sich auf die Vorfälle in der Silvesternacht 2015 in Köln bezog. Es gäbe Dinge, die sich manche Medien nicht zu zeigen trauen würden. Es wurde darüber diskutiert, ob man etwas in anderer Form zeigen dürfe, als es einem die politische Korrektheit gebietet. Dies warf die Frage auf, ob die freien Medien noch existieren. Rybińska sagte in Bezug auf die Rolle der Sprache in der neuen politischen Realität: „Wer die Macht über die Begrifflichkeiten hat, hat die Macht über das Denken.“
Beschlossen wurde die Zusammenkunft von einer lebhaften Diskussion aller Podiumsteilnehmer. Es kamen Fragen nach den Gründen für die Radikalisierung polnischer Medien und dem Wesen der Vermittlung von Wahrheit durch Journalisten auf. „Die Sensibilität der Menschen, die in Deutschland leben ist eine andere als die Denkart der Polen. Unser Land ist homogen […] ich beneide die Deutschen darum, dass sie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Lage sind, sich für andere Nationen, Kulturen und Religionen zu öffnen“, sagte Jarosław Gugała, Journalist des Fernsehsenders Polsat.
Die Podiumsteilnehmer waren sich über das Gewicht von Worten im Journalistenberuf im Klaren, dennoch definierten sie die Herangehensweise an die Benutzung von Sprache in der Praxis unterschiedlich. Dies kann ein Denkanstoß zum Verständnis der Unterschiede in den europäischen Medien sein.
Julia Grzybowska
Robert Wolak