Christian Gesellmann, Fot. Hans Scherhaufer
Medienkorporationen machen einen größeren Teil der Presselandschaft aus als je zuvor, und sie beeinflussen damit den Inhalt von Publikationen, denn die Auftragnehmer sind abhängig von ihren Arbeitgebern, und das beeinflusst die Themenwahl und die Art und Weise, mit der diese Medien die Wirklichkeit darstellen. Laut den Moderatoren des Workshop sind Journalisten, die für Printmedien arbeiten, die in hohem Maße von großen Konzernen finanziert werden, gezwungen, über manche Fragen, die für die Geldgeber unbequem sind, zu schweigen. Gleichzeitig finden Themen, die aus gesellschaftlicher Sicht relevant sind, keinen Platz in der öffentlichen Debatte.
Ein Beispiel dafür ist die Erfahrung von Christian Gesellmann. Er arbeitete für eine Regionalzeitung, die von einem der größten Autokonzerne Deutschlands finanziert wurde. „Kritische Inhalte über die Firma hatten in der Regel negative Konsequenzen. Genau wie der Artikel, in dem ich darüber geschrieben habe, dass vor Weihnachten, als der Konzern einhundert Personen für den Diebstahl von Getränken aus Automaten entlassen hatte. Am nächsten Tag hatte ich ein Gespräch mit Juristen der Firma, und dann mit meinem Vorgesetzten. Der Artikel wurde von den Lesern gut aufgenommen. Und trotzdem war die gesamte Redaktion gezwungen, in die Firma zu fahren und ein Gespräch zu diesem Thema zu führen“, sagte Gesellmann.
Im Laufe des Workshops kristallisierte sich heraus, dass für solche Firmen Werbeinhalte wichtig sind, nicht aber seriöse Informationen. Auf eigene Erfahrungen berief sich auch Magdalena Kicińska, die für eine der führenden Zeitungen Polens gearbeitet hatte. Im Kontext des ethischen Journalismus beschrieb sie eine der Bedrohungen für Medien, die versuchen, unabhängig zu arbeiten.
„Allein das Risiko, dass eine große Firma uns vor Gericht zieht, ist ein Zensor", sagte sie. Ihrer Meinung nach können es sich viele Redaktionen nicht leisten, juristisches Personal zu finanzieren, das es ihnen ermöglichen würde, gegen eine Korporation zu gewinnen. Und eine Niederlage bedeute für eine Redaktion oft das Ende ihrer Arbeit.
Medien, die abhängig sind von Firmen, weil sie von diesen finanziert werden, sollen Barrieren schaffen, die es unmöglich machen, die Realität zu beschreiben. „Ich habe mir schon oft vom Chefredakteur anhören müssen, dass Themen, die ich aufgreifen wollte, langweilig seien, unbequem und ,unsexy‘, wie zum Beispiel Probleme von Menschen mit Behinderungen oder Fälle häuslicher Gewalt. Doch meiner Meinung nach ist Journalismus ein Beruf mit einer Mission“, so Kicińska. Als Antwort auf die Einschränkungen, die Redaktionen und finanzierende Rechtssubjekte Journalisten aufzwingen, entstand das Magazin Pismo – ein Medium, das mit Crowdfunding gegründet werden konnte und von der Journalistin teilweise selbst gemacht wird. Laut Kicińska trägt diese Art der Gewinnung von Mitteln für die Arbeit einer Zeitung zum Erhalt der journalistischen Ethik bei.
Der Workshop „Journalistische Ethik. Hängt alles vom Geld ab?" hatte die Form eines Dialoges zwischen den Moderatoren und Journalisten aus Polen und Deutschland. Der Erfahrungsaustausch vermittelte den Eindruck, dass deutsche Medien sich einer größeren Unabhängigkeit erfreuen dank der finanziellen Unterstützung von Seiten des Staates. In Polen hingegen geben die Medien dem enormen Druck nach, sowohl dem von Seiten der Sponsoren als auch dem von Seiten der Regierung.
Die Frage, ob journalistische Ethik vom Geld abhängt, lässt sich wohl beantworten. Jegliche Form von Abhängigkeit bedeutet Eingrenzung.
Junge Redaktion der SdpZ: Iwona Pałczyńska und Ewa Stasierska