Der deutsch-polnische Kampf um die Kohle

Fot. Hans Scherhaufer

Das Gespräch wurde von Wojciech Jakóbik moderiert, einem polnischen Analysten für den Energiesektor, und von Richard Fuchs, freiberuflicher deutscher Journalist mit den Schwerpunkten Energiepolitik und Europäische Angelegenheiten. In der Diskussion konnte man sein Wissen auf dem Gebiet Entkarbonisierung auf regionaler und landesweiter Ebene erweitern. Im Publikum saßen Experten für Atomenergie und Geschäftsleute.

„Das Braunkohlevorkommen im Bergwerk in Bogatynia wird in etwa zwanzig Jahren erschöpft sein“, sagte Tomasz Krzeszowiec, stellvertretender Direktor der Wirtschaftsabteilung im Marschallamt Niederschlesien. Wie können in dieser Zeit die Kohleanteile an der Energieproduktion verringert werden? Laut Krzeszowiec muss schrittweise zu alternativen Energien übergegangen werden, was die sozialen Folgen, die mit der Schließung von Bergwerken und traditioneller Elektrowerke verbunden sind, entschärfen werde. Diese Ansicht teilte Thomas Kralinski, Bevollmächtigter des Landes Brandenburg beim Bund und für Medien und Internationale Beziehungen. Ein Beispiel dafür sei die Schließung der Bergbauindustrie in der Lausitz in den neunziger Jahren. Die eiligen und undurchdachten Maßnahmen der Bundesregierung hätten dazu geführt, dass hunderte Menschen ihre Einkommensquelle verloren haben. Dies habe eine enorme Verelendung und die Notwendigkeit von Umschulungen ohne Unterstützung der Regierung oder der Region hervorgerufen.

Kralinski kommentierte die aktuelle Energiepolitik Deutschlands und betonte, er wolle die Entvölkerung in den Gebieten, die mehrheitlich von im Energiesektor Angestellten bewohnt sind, verhindern. Eine Warnung für manche Regionen Deutschlands seien postindustrielle Städte in den USA, Detroit allen voran. Im Hinblick auf die amerikanischen und lausitzer Erfahrungen betonte er die Notwendigkeit, einen Konsens zwischen den Selbstverwaltungen, der Geschäftswelt und der Bundesregierung zu finden, die die Folgen für diejenigen, die am schlechtesten situiert sind, abfedern sollen.

Krzeszowiec und Kralinski waren sich darin einig, dass erneuerbare Energien nicht zu 100 Prozent die Produktion von elektrischer Energie abdecken können. Es existierten nämlich bedeutende Unterschiede bezüglich der Frage, was die Ergänzung durch „grüne Energie“ bedeuten soll. Kralinski wies darauf hin, dass während Polen mit Anteilen von amerikanischem Knowhow und Kapital plant, bis 2034 das erste Atomkraftwerk in Betrieb zu nehmen, Deutschland bis 2022 den Atomausstieg anstrebt. Er wies außerdem auf hin, dass es andere Herangehensweisen an die Atomenergie unserer westlichen Nachbarn als Schweden und Franzosen gibt, die diese als „grüne Energie“ bezeichnen. Der Moderator Richard Fuchs benannte auch das Problem fehlender Atommülllager in Deutschland, welches immerhin zwölf Kernreaktoren besitzt, die in Betrieb sind.

Polen und Deutschland haben eine geteilte Meinung zur Kohle als Energierohstoff. Deutschland will bis 2035 den Kohleausstieg. Polen hingegen besitzt bedeutsame Kohlelagerstätten und gründet darauf seine Energiesicherheit. Bis 2030 wird es den Kohleanteil an der Energieherstellung von derzeit 75 Prozent auf maximal 60 Prozent reduzieren. Ziel ist, eine maximale Verringerung auf 30 Prozent im Jahr 2040 zu erreichen. Krzeszowiec sagte spitzfindig, dass sich die große Energiefrage neben der Produktion von elektrischer Energie selbst auch auf die Herstellung von Wärmeenergie und die Bestandsaufnahme sowie die möglichst vollständige Nutzung von Energierohstoffen ausweite.  Geplant sei die Optimalisierung der Bemühungen darum, die Ergebnisse in Form von Energie und Wärme bei der Verbrennung jeder Rohstofftonne zu steigern. Gleichzeitig könne man dank der Nutzung moderner Technologien die CO2-Emission verringern.

Wojciech Jakóbik sprach aber auch von ähnlichen Herangehensweisen beider Länder an die unterstützende Rolle von Erdgas für die landesweite Energiewirtschaft. Kralinski ergänzte, dass Deutschland außer der Fortsetzung des Baus von Nord Stream 2 auch Flüssiggasterminals vorbereite, und zwar nach Polens Vorbild. Erdgas ließe sich leicht lagern im Gegensatz zur Energie, die aus anderen Rohstoffen gewonnen werde, die auf zuweilen unsicheren Faktoren wie Wetter und Wasserstände basieren.

Neben dem Informationsaustausch gab die Diskussion den Teilnehmern mit Sicherheit Hoffnung auf Veränderungen in der Energiepolitik. Regierende, die sich für das Klima einsetzen, dürfen darüber nicht die Menschen vergessen 

Maksymilian Semeniuk

(aus dem Polnischen von Antje Ritter-Miller)