Seine Skulpturen sind Teil des öffentlichen Raumes von Wrocław. So steht am Eingang des Arsenals der steinerne „Bär aus Ślęża“ (dt. Zobtenberg) – einer der Bären, die auf der Expo 2000 in Hannover die Woiwodschaft Niederschlesien präsentiert haben. Am liebsten aber kreiert er Gesichter und Motorräder, meistens aus Ton. Einmal im Jahr stellt er die Statuetten für den Wettbewerb um den Deutsch-Polnischen Journalistenpreis her. Jede einzeln.

Ein Gespräch mit dem Breslauer Bildhauer Jan Zamorski

Dorota Katner: Eigentlich wollten wir uns in Warschau treffen, aber obwohl Sie selbst sagen, dass Sie seit Jahren mal wieder in die Hauptstadt wollen, hat es nicht geklappt. Früher hat die Stadt die Künstler angezogen, heute entfliehen sie ihr immer häufiger. Wie kommt das?

Jan Zamorski: Das Leben in der Großstadt lenkt einen ab. Ich wohne in Wrocław, und mir ist aufgefallen, dass ich kaum die Vorteile des städtischen Lebens in Anspruch nehme – Kino, Konzerte, Massenveranstaltungen. In der Stadt kann ich nicht morgens direkt aus dem Schlafzimmer auf die nackte Erde hinaustreten. Oder barfuß auf frischem Schnee laufen – wenn man in der Platte wohnt, ist das ein bisschen schwierig (lacht).

DK: Aber Sie leben trotzdem in der Stadt.

JZ: Das Leben außerhalb der Stadt ist härter und frisst mehr Zeit. In der Stadt sind die Arbeitsbedingungen einfach besser. Allerdings sind die Bildhauer-Symposien am fruchtbarsten. Nicht nur, dass man dort abschalten und die täglichen Probleme vergessen kann, man wird auch noch versorgt, hat gute Gesellschaft und gute Unterhaltung, und man wird mit Respekt behandelt.

DK: 1992 haben Sie selbst das Internationale Bildhauer-Symposium „Tuzin-Dozen” ins Leben gerufen, das alljährlich in Wojnowice bei Wrocław stattgefunden hat.

JZ: Und das ich 2000 aus finanziellen Gründen leider aufgeben musste, weil die Zuschüsse nicht sicher genug waren. Später habe ich dann an vielen Symposien für Bildhauer und Keramikarbeiten auf der ganzen Welt teilgenommen.

DK: Ich dachte immer, dass ein Bildhauer allein arbeitet, in seinem Atelier. Woher dieses Bedürfnis, an Konferenzen teilzunehmen?

JZ: Das ist ein wichtiges Element der Marketing-Strategie.

DK: Sich Vorträge über die Geschichte der Skulptur anzuhören?

JZ: Die Vorträge sind das eine, aber auf den Symposien entstehen auch Werke. Eine Menge meiner Skulpturen steht dank dessen in Museen und auf Straßen. Die Begegnungen mit anderen Künstlern bei der Arbeit gehören auch zur Essenz des kreativen Lebens, hier hat man Zeit, Neues zu lernen, zum Beispiel neue Sichtweisen, während die eigene kreative Arbeit – wie Sie richtig bemerkt haben – zumeist Einsamkeit im Atelier mit sich bringt.

DK: Sind Sie Bildhauer weil das Ihr Beruf ist, oder sind Sie aus Leidenschaft Bildhauer?

JZ: Ich habe Bildhauerei an der Breslauer Staatlichen Kunsthochschule (heute ASP) studiert und bemühe mich, in meinem Beruf zu arbeiten.

DK: Sie bemühen sich?

JZ: Na ja, ich habe auch als Lehrer gearbeitet und unterrichtet, sogar als Kunsttherapeut in einer psychiatrischen Klinik. Letzteres habe ich im Übrigen in sehr guter Erinnerung.

DK: In Ihrem Schaffen dominieren zwei Hauptthemen: Menschen und Motorräder.

JZ: Das stimmt. Ich bemühe mich, beide realistisch darzustellen. Meine Figuren knüpfen an Darstellungen von früher an. Mich faszinieren figurative Grabinschriften, also Grabporträts. Davon sind in Niederschlesien sehr viele zu finden. Diese Skulpturen geben einen Eindruck von den Menschen, die vor uns auf diesen Gebieten gelebt haben. Meine Menschen sind zumeist aus Ton. Die Motorräder hingegen sind aus Stein, aus Metall oder aus Holz gemacht. Ich verbinde oft mehrere Materialien mit fertigen Maschinenelementen, aber das Ganze ist immer der Form untergeordnet. Das sind keine Modelle, eher Porträts von Fahrzeugen.

DK: Als Bildhauer können Sie bestimmt nicht über zu wenig Material in Niederschlesien klagen.

JZ: Ja, Ton gibt es im Überfluss, Niederschlesien ist schließlich das Keramikgebiet Polens. Außerdem hatten wir bis vor Kurzem zwei Keramikfabriken in Wrocław, wo die Künstler ihre Arbeiten in Temperaturen brennen konnten, die sie in ihren eigenen Werkstätten nicht erreichen konnten – über 1200 Grad. Im nahe gelegenen Wałbrzych hingegen hat es bis vor Kurzem drei Fabriken gegeben. Eine ist heute ganz geschlossen, das Schicksal der übrigen ist unklar.

DK: Ist Ton Ihr Lieblingsmaterial?

JZ: Ja. Wie ich gesagt habe – Ton ist das traditionelle Material dieser Gegend. Nur dass ich keine Tassen aus Ton mache, sondern Skulpturen. Es gibt da eine Anekdote. Während des Kriegsrechtes hat eine Bekannte Keramikmasse gekauft und mit dem Auto ins Atelier bringen wollen. Als sie von der Miliz gestoppt und gefragt wurde, was sie mitführe, sagte sie die Wahrheit: „Ton“* . Die wütenden Milizionäre haben den ganzen Trabant gründlich durchsucht. In den neunziger Jahren hat mich eine Polizeistreife angehalten, als ich aus Bolesławiec kam und Ton transportierte. Als sie mich fragten, was ich mitführe, habe ich den Polizisten diese Geschichte erzählt. Dieses Mal ging es ohne Durchsuchung ab.

DK: Ist es jemals passiert, dass Ihnen Entwürfe weggekommen sind oder dass Sie Elemente Ihrer Werke bei anderen Künstlern entdeckt haben?

JZ: So etwas passiert in der Kunstwelt ziemlich häufig, man lässt sich von den Arbeiten der anderen inspirieren, manchmal entwickelt man sie weiter, manchmal nimmt man nur die Idee, weil man selbst keine hat. Es kommt vor, dass dies unwissend passiert, wenn ein Konzept oder ein Detail einen so beeindruckt, dass man meint, man wäre selbst auf die Idee gekommen. Bereits während meines Studiums hat ein Kommilitone vor der Hochschule ein Tor hingestellt, für das ich ein Jahr zuvor das Modell gemacht hatte. Ich hingegen habe viel Mühe in eine Komposition zum Thema „Kontrast“ gesteckt, dessen Prototyp eingestaubt im Atelier der Hochschule im Regal stand. Und ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich es je zuvor gesehen hätte (lacht). Nichtsdestotrotz halte ich es für unethisch, fremde Ideen zu verwenden, eigentlich ist das Diebstahl, aber es gibt keine gesetzlichen Mechanismen, die Ideen schützen.

DK: Sie haben die Statuette für den Wettbewerb um den Deutsch-Polnischen Journalistenpreis kreiert. Ich habe mehrere Leute gefragt, womit sie die Statuette assoziieren, und sie haben geantwortet: mit einem Gesicht, mit einem Kopf, mit einem Smiley. Alle sehen in der Statuette das Abbild eines menschlichen Gesichtes. Entspricht diese Interpretation zumindest ein wenig der Idee des Autors? Was drückt die Statuette des Deutsch-Polnischen Journalistenpreises wirklich aus?

JZ: Die Statuette ist entstanden auf Grundlage einer Grafik, deshalb ist das nicht wirklich eine Frage an mich. Aber ich bin damit einverstanden, dass das ein Gesicht ist, und es ist als Teil einer menschlichen Gestalt ein sehr treffendes Symbol. Ich denke, sie ist uneindeutig genug, so dass jeder sie auf seine Weise sehen kann, und das ist ihr großer Vorteil.

DK: Und wie interpretieren Sie die Statuette?

JZ: Ich sehe das entschlossene Gesicht eines Journalisten, mit harten Gesichtszügen, auf den ersten Blick leidenschaftslos, sprich objektiv. Aber man kann auch ein Fragezeichen in ihr sehen, das spricht für Wissbegierde und Streben nach der Wahrheit. Und das erwarten wir sicherlich von den Gewinnern dieses Preises.

DK: Erzählen Sie uns bitte, wie die Statuette entstanden ist.

JZ: Der erste Auftrag kam vom Marschallamt Niederschlesien im Jahr 2001 und bestand darin, eine Zeichnung in eine dreidimensionale Form zu bringen. Ich stellte also auf der Grundlage einer zweidimensionalen Zeichnung eine dreidimensionale Skulptur her. Die Farbgebung war von Vornherein klar, aber natürlich ist die endgültige Farbe Ergebnis der bei der Schmelze verwendeten Materialien, der Temperatur im Ofen, der Brennstoffe, der Tonsorte. Ich konnte natürlich die Sorte bestimmen, die Schmelze, die Technik, den letzten Schliff.

DK: Jede Statuette wird im Ofen gebrannt.

JZ: Ja, und am Anfang gab es damit Schwierigkeiten. Die ersten Modelle, die ganz aus Ton waren, sind gesprungen, wir mussten zu leeren Innenräumen übergehen, was viel zusätzliche Arbeit bedeutet hat.

DK: Können Sie das näher erklären?

JZ: Die Statuette besteht aus dünnen Wänden, die sorgfältig miteinander verbunden werden müssen. Der Ton verliert beim Trocknen an Volumen, im Ofen aber dehnt er sich bei hoher Temperatur (1100 °C) aus, und zieht sich dann beim Abkühlen wieder zusammen. Die Stellen, an denen die Elemente miteinander verbunden sind, werden also während dieses Prozesses hoher Belastungen ausgesetzt. Es darf aber nicht dazu kommen, dass das Material platzt, das wäre ein Fehler. Ich habe über eine Form nachgedacht, mit der man die Statuetten vervielfältigen könnte, aber das hätte ihnen den individuellen Charakter genommen. Ich fertige immer ein paar Statuetten mehr an, damit ich am Ende die besten auswählen kann.

DK: Ist diese inzwischen über 10 Jahre alte Statuette des Deutsch-Polnischen Journalistenpreises Ihrer Meinung nach heute noch aktuell?

JZ: Es ist gut, sich an ein traditionelles Muster zu halten, das einen Wiedererkennungseffekt erzeugt. Im Laufe der Jahre ist mir klar geworden, wie wichtig Dinge sind, die unveränderlich sind, die wir als Bezugspunkt nehmen können. So ist die Tradition entstanden, die wir wieder zu schätzen und zu verstehen beginnen.

DK: Wie würde die Statuette für den Preis aussehen, wenn Sie sie im Jahr 2012 entwerfen würden?

Jan Zamorski: Tja, aus oben genannten Gründen sicherlich so ähnlich.

DK: Hat die Statuette einen Bruder oder eine Schwester? Gibt es ein Werk von Ihnen, in dem das Motiv der Statuette für den Deutsch-Polnischen Journalistenpreis zu finden ist?

JZ: Nein, das ist ein Einzelprojekt. Mehr noch, denn obwohl sich die Statuetten ähneln, ist jede einzelne handgemacht. Keine gleicht der anderen, das ist das Quäntchen Luxus für die Sieger, dass sie etwas Unnachahmliches besitzen, eine kleine Skulptur, und keine bedruckte Karte oder ein ausgeblasenes Ei aus Plastik. Stellen wir uns außerdem mal vor, dass in etwa 15.000 Jahren von Archäologen an mehreren Stellen diese Statuetten ausgegraben werden. Das ist möglich, denn Keramik hält sich sehr lange. Wie viele Hypothesen, Theorien und was für Verwirrung würde das auslösen!

DK: Verwirrung hat die Statuette bereits ausgelöst. Während der letzten Gala zur Verleihung des Deutsch-Polnischen Journalistenpreises in Zielona Góra ist eine weggekommen.

JZ: Wirklich? Das ist ein großes Kompliment für mich. Ich möchte nicht ganz bescheiden hinzufügen, dass aus Galerien bereits mehrere meiner Arbeiten gestohlen wurden, die offensichtlich jemandem so sehr gefallen haben mussten, dass er ein echtes Risiko eingegangen ist, um sie in seinen Besitz zu bringen.

DK: Die Statuette des Deutsch-Polnischen Journalistenpreises ist seit über 10 Jahren Teil Ihres beruflichen Lebens.

JZ: Ja, die Statuette gehört zu meinem Jahresplan, sie ist ein festes Element meines Kalenders, so wie die Geburtstage meiner Kinder oder der erste Frühlingstag. Ich freue mich, dass ich teil habe an diesem Ereignis, das für viele Menschen so viel Bedeutung hat, für Journalisten, Medienleute, Politiker. Ich freue mich, dass meine Arbeit geschätzt wird und dass Sie sich jedes Jahr wieder wegen neuer Exemplare an mich wenden.

DK: Vielen Dank für das Gespräch.



*) „glina” (dt. Ton) hat auf Polnisch eine zweite Bedeutung: Bulle (Polizist)