Einzelheiten, die die Wahrheit erkennen lassen

Monika Iłowska-Walkowiak, Marschallin der Woiwodschaft Lebuser Land Elżbieta Anna Polak. Fot. Hans Scherhaufer.

„Man kann ein Drama über Menschen im Grenzland erzählen und dabei eine Atmosphäre von Vertrauen, Vergebung und Versöhnung aufbauen“, sagte Jarosław Kurski, stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung Gazeta Wyborcza zu den Autoren, die auf der Gala des 20. Deutsch-Polnischen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreises in Górzykowo ausgezeichnet wurden.

„Alles Gute reift langsam, so wie Wein.“ Mit diesen Worten eröffnete Elżbieta Anna Polak, Marschallin der Woiwodschaft Lubuskie, die Gala. „Die deutsch-polnische Geschichte war nicht immer einfach und angenehm, aber innerhalb der letzten 27 Jahre, also im freien Polen, ist es gelungen, viele schwierige Dinge sachlich zu klären“, sagte die Marschallin und betonte dabei die Rolle des seriösen und ehrlichen Journalismus. Jarosław Kurski erinnerte an Menschen, die sich trotz der schwierigen historischen Ereignisse entschlossen hatten zu vergeben, um Fundamente des gegenseitigen Vertrauens und der Zusammenarbeit aufzubauen, wie beispielsweise Professor Władysław Bartoszewski. „Ohne freie Medien wird es ziemlich leicht sein, antideutsche Stimmungen in Polen zu entfachen“, warnte Kurski. Er lobte die Bemühungen der Journalisten, die an dem Wettbewerb teilnahmen: „Man kann ein Drama über Menschen im Grenzland erzählen und dabei eine Atmosphäre von Vertrauen, Vergebung und Versöhnung aufbauen.“

In diesem Jahr wurde der Deutsch-Polnische Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis in den vier Kategorien Print, Hörfunk, Fernsehen und Journalismus in der Grenzregion vergeben. Es waren 133 Beiträge eingesendet worden, 48 aus Polen und 85 aus Deutschland. Die Jury zeichnete von allen eingesendeten Beiträgen vier Arbeiten aus.

In der Kategorie Print machte Rainer Schulze das Rennen mit seinem Artikel „Der zerbrochene Spiegel“, der bei der FAZ/Rhein-Main erschienen war. Schulze stellt hier in Märchenform Berichte von Polen vor, die in Frankfurt am Main leben, und zeigt, wie stark politische Sympathien und Antipathien ihre Haltungen und Bindungen beeinflussen.

„Seine Darstellung wirkt gerade deshalb so überzeugend, weil sie sowohl aus klaren Aussagen der zu Wort kommenden Personen besteht, wie auch von einer Grundsympathie getragen ist, die der Autor gegenüber dem Nachbarland und seinen Menschen empfindet. Im Hintergrund schwingt zudem der Gedanke daran mit, dass auch in anderen europäischen Ländern und in Deutschland selbst immer mehr Menschen eine kritische Haltung zur EU in ihrer gegenwärtigen Form einnehmen.“

Gewinner in der Kategorie Hörfunk wurde Dr. Conrad Lay für seine Reportage „Eine Stadt, die sich nicht mehr fremd ist, Breslau/Wrocław: Drei Generationen erzählen“, die vom SWR2, Literatur und Feature gesendet wurde. Der Autor lässt drei Einwohner von Wrocław zu Wort kommen, die aus verschiedenen Kulturen und Generationen stammen. Er lässt sie von ihrer Stadt erzählen, die eine ebenso reiche und multikulturelle Geschichte hat, wie seine Figuren. Der besondere Wert dieses Beitrages besteht laut dem Jurymitglied Dorota Zyń-Horbaczewska in der Seriosität und der Genauigkeit des Autors: „Einzelheiten sind dem Menschen wie auf den Leib geschneidert, denn sie ermöglichen es ihm, die Wahrheit zu erkennen. Der Autor geht tief unter die Oberfläche der Ereignisse und deckt eine schwierige, von Geistern der Vergangenheit gekennzeichnete Geschichte der Stadt Wrocław auf, die mit den verwickelten Schicksalen der Wandernden aus Ost und West zusammenhängen. Er zeigt die Stadt als Zufluchtsort.“

In der Kategorie Fernsehen gewann Dagmar Wittmer mit ihrer Reportage „Als Zwangsarbeiter auf dem Lande schuften“, gesendet im NDR Kultur und Dokumentationen/Dokumentation & Reportage. Der Film befasst sich mit Zwangsarbeitern in den Jahren 1939-45 im Nazideutschland. Das Jurymitglied Bogna Koreng lobte Wittmars Film vor allem für die umfassende und tiefgreifende Recherche und den sensiblen und respektvollen Umgang mit den Opfern und den Nachkommen der Täter.

„Es sind nicht die großen politischen Ereignisse, die rhetorisch starken Reden. Es sind die leisen Töne, die kleinen Umarmungen, die stillen Begegnungen, die bewegen. Sie schaffen ein Spannungsfeld zwischen individuell Erlebtem und politisch historisch Belegtem“, sagte Bogna Koreng.

Den Sonderpreis in der Kategorie Journalismus in der Grenzregion, der vom Gastgeber der diesjährigen Deutsch-Polnischen Medientage, der Woiwodschaft Lubuskie, gestiftet wurde, erhielt Monika Iłowska-Walkowiak für die Radiosendung „Chodzą ulicami ludzie …“, gesendet von Radio Zachód. Es ist dies eine ganz eigene Radiocollage, zusammengesetzt aus Diskussionsbeiträgen zum Thema Einwanderer, im Kontext deutsch-polnischer Grenzstädte. Die Journalistin stellt Einwohnern von Słubice und Frankfurt/Oder Fragen, beispielsweise nach langfristigen Folgen der Aufnahme von Einwanderern durch EU-Mitgliedsländer und die Möglichkeit der Integration verschiedener Kulturen. „Sehr gut ist das Zusammenführen unterschiedlicher Standpunkte, verschiedener Sichtweisen, die aus sich selber heraus sprechen und manchmal auch lang und widersprüchlich sind [...] aber hier zeigt sich doch eigentlich eine Stärke des Hörfunks – nämlich zuzuhören, was die Leute auf der Straße sagen“, kommentierte Jürgen Hingst, Jurymitglied in der Kategorie Hörfunk, ihren Beitrag.

Ein weiterer Höhepunkt der Gala zur Verleihung des 20. Deutsch-Polnischen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreises war das Konzert des Steichensembles Bachus aus Zielona Góra. Dann wurden die Nominierten und alle geladenen Gäste auf dem Hof von Górzykowo inmitten der berühmten Lebuser Weinberge verköstigt. Der Abend wurde durch die Anwesenheit von Steffen Möller veredelt, der wortgewandt in beiden Sprachen durch den Festabend führte.

 

Der Bericht wurde durch die VertreterInnen der Jungen Redaktion der SdpZ vorbereitet: Ewa Dziardziel, Iza Pierzchała, Krzysztof Wojtas.