Emotionen und die Suche nach einem Konsens

„In den Meldungen der deutschen Medien zum Thema Polen stört mich am meisten der belehrende Ton“, begann Aleksandra Rybińska von dem Wochenmagazin „wSieci“ die Diskussion. „Dies führt dazu, dass es immer schwieriger wird, objektive Berichte zu finden“, sprach sie weiter. Damit einverstanden war Joanna Stolarek von der Märkischen Oderzeitung. Sie wies darauf hin, dass sich in den landesweiten Medien sowohl in Polen als auch in Deutschland oft ein scharfer Ton feststellen lässt. „Vollkommen anders ist es jedoch im Falle der regionalen Medien. Wir beschäftigen uns hier mit Dingen, die die Bewohner der jeweiligen Region betreffen.“ Stolarek sagte, die regionalen Medien schrieben nur dann über landeweite Themen, wenn diese einen entscheidenden Einfluss auf das Leben der Bewohner der Region hätten, in dem die jeweilige Zeitung herausgegeben wird.

Die Journalisten sprachen darüber, ob die unentwegte Suche nach Sensationen in Gestalt von Emotionen weckenden Schlagzeilen derzeit notwendig ist. Der Korrespondent von „Die Welt“ in Warschau, Gerhard Gnauck, bezog sich auf ein Thema von Gazeta Wyborcza, das in einer Ausgabe prominent besprochen wurde. Es handelte sich um den Vorfall während eines Fußballspiels: Im Stadion waren Transparente aufgetaucht mit der Aufschrift „KOD, Nowoczesna, Gazeta Wyborcza, Lis, Olejnik und andere Nutten – für euch gibt es keine Pfiffe, für euch gibt es den Galgen“. Gnauck war der Meinung, dass man mit Sicherheit andere, wesentlich wichtigere Themen hätte finden können, die außerdem nicht so viele unnötige Emotionen wecken. Diesem Argument widersprach Bartosz Wieliński von Gazeta Wyborcza. Man dürfe solche Haltungen nicht hinnehmen, und deshalb sei eine entschiedene Reaktion notwendig gewesen.

Der Meinungsaustausch zwischen Gnauck und Wieliński machte die grundlegenden Unterschiede in der Medienkultur zwischen Deutschland und Polen sichtbar. Es stellte sich heraus, dass im deutschen Journalismus eine ungeschriebene Konsensregel herrscht, die – so wurde argumentiert – aus der Beobachtung von schwierigen historischen Ereignissen rührt (beispielsweise des Jahres 1968, als es in Deutschland zu Studentenprotesten kam). „Leider beginnt dieser Konsens langsam zu bröckeln“, so Gnauck.

Die Korrespondenten wurden sich jedoch nicht darüber einig, ob in den deutschen Medien zensiert wird (manche Teilnehmer sprachen von einer Selbstzensur), was die Journalisten daran hinderte, Texte zu schreiben, die mit ihrem Gewissen vereinbar sind. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir mein Redakteur verbieten würde, irgendein Thema zu bearbeiten, oder einen Feuilleton oder ein Kommentar zu schreiben, wenn ich damit niemanden kränke“, sagte Stolarek.

Während der Debatte wurde breit über die Art und Weise diskutiert, in der die deutschen Medien über die Vorkommnisse in der Silvesternacht in Köln geschrieben haben. „Tatsächlich haben wir die Nationalität der Täter nicht angegeben“, räumte der Korrespondent der WELT ein. „Aber es ging uns dabei nur darum, nicht den falschen Eindruck hervorzurufen, dass jemand jemanden nur deshalb geschlagen hat, weil er eine bestimmte Nationalität hat. Es kommt auch vor, dass wir in manchen Zusammenhängen über Polen schreiben, ohne ihre Nationalität anzugeben.“