Energie ist der Schlüssel zum Sieg. Neue journalistische Formate

Ausgezeichnet wurde der Beitrag des MDR-Teams von der Redaktion „Mensch Nachbar“, bestehend aus: Franziska Hentsch, Peter Kumpf, Tomasz Sikora, Holger Lühmann, Peggy Wolter, Roman Nuck und Stefan Schmidt. In dem prämierten Beitrag „Wege aus der Krise – Wie machen es die Nachbarn?“ erzählen die Autoren davon, wie die Nachbarn Deutschlands, Polen und Tschechien, die Energiekrise nach dem 24. Februar 2022 bewältigen. Die Frage im Titel bezieht sich u. a. auf die Beendigung der Zusammenarbeit mit Russland, das viele europäische Länder mit Energieressourcen versorgt hatte. Ferner beantworten die Autoren die Frage, welchen Einfluss die Energiekreise auf die Umwelt hat. Sie beschreiben auch den Streit um den Tagebau Turów (als Erinnerung: Tschechien reichte vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Polen Klage ein und forderte die Schließung des Turów-Tagebaus, der den Grundwasserspiegel auf den umliegenden Feldern absenken sollte). 

 „Mittels von Texten, Videoaufnahmen und Podcasts, Umfragen, Fotoreportagen und Graphiken wurde ein umfassendes und genaues Bild dessen erstellt, was uns in dieser Krise verbindet und was uns teilt – ergänzt um die Präsenz in den Sozialmedien. Die Abhängigkeit von Kohle- und Gaslieferungen, Kosten, die von Verbrauchern getragen werden, Fortschritt im Bereich der Elektromobilität – im Material werden all diese Themen erläutert. Das Ergebnis ist eine beeindruckende Teamarbeit zum Thema, das heutzutage niemanden kaltlässt“, begründete die Jury ihre Entscheidung. Sie betonte, die Autoren hätten einen umfassenden Themenblock erstellt, der die Möglichkeiten einer klassischen Website voll ausschöpfe.

Der größte Konkurrent des Gewinnerbeitrags war wohl die interaktive Reportage „Zakładnicy węgla. Szukanie szans i wyzwań w europejskich regionach górniczych / Quitting Coal“ von Anna Górnicka, Lola Garcie Ajofrin, Tina Xu, Piotr Kiliks und Julia Alekseeva aus der Outriders-Gruppe. Das Material geht über die konventionellen journalistischen Formate, die dem zeitgenössischen Journalismus bekannt sind, weit hinaus. Die Funktion des Inhaltsverzeichnisses wird von einem Tableau im Aufzug übernommen, und jedem Kapitel wird symbolisch eine Etagentaste zugeordnet. Im Laufe der Lektüre steigen wir in den Schacht im Bergwerk hinab, und ein Schieberegler zeigt uns, auf welcher Tiefe wir uns gerade befinden. Die Texte werden durch audiovisuelles Material ergänzt, und so lernen wir die Perspektive von Bergleuten, Politikern, Aktivisten und Forschern kennen. Es lässt sich nicht leugnen, dass das Ganze einen mächtigen Eindruck hinterlässt. Das Material beschreibt die Abkehr von Kohle in Deutschland, Großbritannien, Spanien, Polen und der Ukraine. Jedem Land wurde ein Kapitel gewidmet, in dem die Geschichte, die aktuelle Situation und die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg behandelt wurden.

Unter den nominierten Beiträgen befand sich auch das Interview von Michał Gostkiewicz und Anna Macioł-Holthausen „Reparacje wojenne. Prof. Żerko: Niemcy nie rozumieją polskiej krzywdy / Kriegsreparationen. Prof. Żerko: Die Deutschen verstehen das polnische Leid nicht“. Das zentrale Thema des Gesprächs mit Prof. Stanisław Żerko ist die in letzter Zeit heftig diskutierte Frage der Entschädigungen und Reparationen für Polen für die während der deutschen Besatzung in den Jahren 1939–1945 erlittenen Verluste. Żerko schildert den Hintergrund und Rechtsgrundlagen, die dazu geführt haben, dass unser Land offiziell auf Reparationsansprüche verzichtet hat. Er nimmt auch Bezug auf die Situation anderer europäischer Länder. Prof. Żerko unterstreicht auch die Bedeutung von Emotionen in diesem kontroversen Streit.

„W razie Niemca / Falls der Deutsche kommt“ ist eine Podcast-Reihe von Adam Górczewski. Der Journalist erklärt den polnischen Zuhörer*innen die Komplexität der deutschen Politik. Das Thema ist kein Zufall. Der Autor war früher u. a. Berlin-Korrespondent für den polnischen Radiosender RMF FM. Die nominierte Folge „Historyczna zmiana doktryny obronnej Niemiec / Historische Änderung der deutschen Verteidigungsdoktrin“ wurde am 27. Februar 2022 veröffentlicht, d. h. 3 Tage nach dem groß angelegten Angriff Russlands auf die Ukraine. Górczewski zieht einen Vergleich, wie sich die deutsche Sicht auf russische Angelegenheiten nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine geändert hat. Er schildert die Kehrtwende in der deutschen Außenpolitik, was Russland anbelangt, nach der berühmten Rede von Olaf Scholz, in der der Bundeskanzler die Modernisierung der Bundeswehr wie auch Einleitung von Maßnahmen gegen Moskau angekündigt hat. Analysiert wurden auch die Reaktionen europäischer Politiker auf den Ausbruch des Krieges, z. B. die Kritik von Gerhard Schröder, des ehemaligen Bundeskanzlers (SPD), der für das Projekt Nord Stream II tätig war.

Der Text „Was Bremen und Danzig verbindet / Partnerstwo miast. Co łączy Bremę i Gdańsk“) wurde von Patricia Friedek geschrieben und auf der Website „Weser Kurier“ veröffentlicht. Er enthält eine Analyse von zwei Zwillingsstädten, die trotz der abgekühlten Beziehungen zwischen Polen und Deutschland eine gemeinsame Sprache gefunden und eine groß angelegte Zusammenarbeit aufgenommen haben. Friedek führt uns in die Wirren der Geschichte, Politik und Wirtschaft und zeigt verschiedene Affinitäten der beiden Städte auf. Sie spricht mit ihren Vertretern über die brennenden Fragen.

Das Material „Tägliche Herausforderungen“ wurde von der WDR erstellt. An dem Beitrag haben mitgearbeitet: Łukasz Tomaszewski, Adam Gusowski, Lena Crohmal, Maike de Buhr, Keno Mescher, Leyli Sahin und Henrik Schütz. Die Autoren*innen schildern die Situation von Krakau, einer Stadt, die über Nacht zu einer Stadt wurde, die nur 250 km von der Frontlinie entfernt ist, und erzählen Geschichten von Menschen, die aus der Ukraine fliehen mussten. Sie zeigen auch Schicksale von Leuten aus Belarus, die gezwungen waren, ihre Heimat wegen ihrer politischen Ansichten zu verlassen. Die Autoren und Autorinnen zeigen, wie die Mengen der neuen Bewohner das Leben in der Stadt beeinflusst haben und wie die Behörden und kulturelle Einrichtungen den Flüchtlingen aus dem Osten helfen.

Bezeichnenderweise bezogen sich die Beiträge in der Kategorie Neue journalistische Formate vor allem auf aktuelle, zeitgenössische Themen. Alle nominierten Beiträge veranlassen uns zur Suche nach Lösungen für Probleme, mit denen wir heutzutage konfrontiert sind.

Eliza Kunath und Michał Szarek