Medien im Umbruch – Welchen Journalismus braucht das Land?“ Die erste Debatte der 6. Deutsch-Polnischen Medientage

Die Debatte „Medien im Umbruch – Welchen Journalismus braucht das Land?“ fand am 6. Juni 2013 im Hotel Mercure in Wrocław statt. Mit dieser Debatte wurden die 6. Deutsch-Polnischen Medientage eröffnet. Vorangegangen war der Diskussion eine Einleitung von Andrzej Grajewski, dem Ko-Vorsitzenden des Vorstandes der SdpZ. Dr. Grajewski wies darauf hin, dass auch diese gemeinsamen Medientage nicht nur für den deutsch-polnischen Dialog von Bedeutung seien, sondern ebenso für den polnisch-polnischen Dialog.

Nach Andrzej Grajewski ergriff Rüdiger Freiherr von Fritsch das Wort, der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Polen. Er begann seine Rede mit der Feststellung, dass sich Polen in seinen Augen innerhalb der vergangenen zwanzig Jahre „drastisch“ verändert habe. Noch mehr hätten sich die deutsch-polnischen Beziehungen verändert: Noch nie seien sie so gut gewesen. Andererseits jedoch würden manche Fakten von Polen und Deutschen aus einer vollkommen unterschiedlichen Perspektive vermittelt, wie beispielsweise die Schlesischen Aufstände – es genüge, unter diesem Stichwort die Wikipedia-Einträge in beiden Sprachen zu vergleichen. Bemerkenswert seien auch die gemeinsamen Diskussionen zu den Themen Kulturgüter oder Energie und Klima. Rüdiger Freiherr von Fritsch sprach sich für ein gemeinsames kulturelles Gedächtnis aus, das zur Versöhnung der Völker führen solle.

Nach diesen einleitenden Worten begann die Debatte unter dem Titel „Medien im Umbruch – Welchen Journalismus braucht das Land?“, an der Tomasz Machała – Chefredakteur des Internetportals naTemat.pl –, der Moderator Paweł Lisicki – Chefredakteur des Wochenmagazins Do Rzeczy –, Leif Kramp – Medien- und Kommunikationsexperte an der Universität Bremen –, Paweł Łuków von der Warschauer Universität und Jürn Kruse von der taz teilnahmen. Paweł Lisicki vertrat die Meinung, die Leser bräuchten mit Sicherheit den Journalismus; in der besten Situation seien derzeit die Wochenmagazine, weil sie Inhalte mit Unikatcharakter garantieren, während die Tageszeitungen durch das Internet ersetzbar seien. Neben den Informationsträgern habe sich auch die Rolle des Journalisten geändert. Die berufliche Situation des Journalisten, sowohl des polnischen als auch des deutschen, sei instabil. Ein Journalist sei in heutigen Zeiten alles in einem: Schriftsteller, Blogger, Publizist und Moderator. Um in der Branche überleben zu können, müsse er „mehr als ein Journalist“ sein. Heutzutage nämlich erwarte der Leser von ihm nicht nur Objektivität, sondern auch die Vermittlung von Emotionen. Der Leser wolle die Möglichkeit haben, an der Debatte, die in der Welt geführt wird, teilzunehmen. Wichtig sei der ethische Aspekt der journalistischen Arbeit, der ihre Glaubwürdigkeit garantieren würde. Ein Journalist sollte es dem Leser möglich machen, die Fakten von den Ansichten des Autors zu unterscheiden. Darin bestünde unter anderem die berufliche Verantwortung des Autors für seinen Text.

Die polnischen und deutschen Diskussionsteilnehmer betonten die Bedeutung der Marke in den Medien. Der Leser sei an Marken gewöhnt, er vertraue ihnen, und das habe großen Einfluss auf das Überleben einzelner Titel (auch soziale Netzwerke binden über die Marke Leser an sich). Leif Kramp wies darauf hin, dass die Grenzen zwischen Information und Marketing immer unklarer würden. Die Leser könnten PR-Inhalte von journalistischen Inhalten nicht unterscheiden, sie würden nicht einmal die Unterschiede zwischen Wikipedia-Einträgen und journalistischen Beiträgen erkennen.

Ein äußerst wichtiger Punkt der Debatte war die Frage nach der Finanzierung der Medien. Die Medien führen Gebühren für Internetinhalte ein, während der Leser stets die Möglichkeit habe, im Netz andere Informationsquellen zu finden, die außerdem gratis seien. Er lese lieber kostenlose elektronische Versionen, als zum Kiosk zu laufen. Es komme zu einem unvermeidlichen Wandel der Printmedien zu elektronischen Medien. Nach Meinung von Tomasz Machała „muss guter Journalismus auf guten finanziellen Fundamenten stehen”. Wird sich der Leser in der Internet-Ära für Bezahlinhalt entscheiden, wenn er doch jahrelang kostenlosen Zugriff auf alle Inhalte hatte? Diese Frage bleibt offen.