Die deutsch-polnische Berichterstattung ist in den letzten Jahren sachlicher, differenzierter und freundlicher geworden. Die „schwarzen Listen“ von gefährlichen deutschen Korrespondenten gehören der Vergangenheit an. Konrad Schuller, FAZ-Korrespondent, im Gespräch über die deutsch-polnische Berichterstattung.

Dorota Katner: Der Deutsch-Polnische Journalistenpreis prämiert seit 16 Jahren die Beiträge, die über das jeweilige Nachbarland fair und offen berichten. Ist die Art und Weise, wie über Polen und Deutschland beiderseits der Oder berichtet wird im Laufe der Jahre anders, fairer geworden? Inwiefern hat dazu der Deutsch-Polnische Journalistenpreis möglicherweise beigetragen?

Konrad Schuller: Die deutsch-polnische Berichterstattung ist in den letzten Jahren sachlicher, differenzierter und freundlicher geworden. Ich kann mich noch gut erinnern, wie in Warschau „schwarze Listen“ von angeblich gefährlichen deutschen Korrespondenten veröffentlicht wurden, wie deutsche Politiker von Gerhard Schröder bis Erika Steinbach in den Zeitungen regelmäßig mit Nazi-Vergleichen traktiert wurden. Heute ist die „deutsche Gefahr“ aus den polnischen Medien so gut wie verschwunden. Auch umgekehrt haben sich die Verhältnisse verbessert. Der verächtliche „Polenwitz“ ist in deutschen Sendern nicht mehr salonfähig, und der abschätzige alte Begriff von der „polnischen Wirtschaft“ hat angesichts der Stabilität, die Polen neuerdings beweist, einen bewundernden Unterton bekommen. Freundliche Polen-Bücher wie Steffen Möllers „Viva Polonia“ sind in Deutschland Bestseller. Zu dieser Entwicklung haben viele beigetragen: Politiker, Publizisten, Beamte, Wissenschaftler haben aktiv geholfen, Klischees abzubauen. Der Deutsch-Polnische Journalistenpreis, der ja immer zugleich der Höhepunkt der deutsch-polnischen Medientage ist, gehört hier zu den ganz wichtigen Katalysatoren, und der kürzlich verstorbene Albrecht Lempp mit seiner immensen Sensibilität für unsere beiden Länder war in diesem Kosmos der Kristallisationspunkt, um den sich alles gruppierte.

DK: Spiegelt Ihrer Meinung nach die deutsche Berichterstattung über Polen die wahre Problematik des Landes wider? Entspricht wiederum das Deutschlandbild in den polnischen Medien der Wirklichkeit?


KS: Die wechselseitige Wahrnehmung hatte auf beiden Seiten sehr unterschiedliche Schwächen. In Polen brauchte es Jahre, bis nach der Wende das alte, im Krieg geprägte Deutschlandbild, das von Kommunisten und nationalen Kreisen gleichermaßen konserviert worden war, seine Dominanz verlor. Mittlerweile ist da viel geschehen, und jene Strömung in Polen, die schon zu Solidarnosc-Zeiten wahrgenommen hatte, dass Deutschland nicht nur ein gewesener Gegner ist, sondern auch ein potentieller Partner, beherrscht heute die Szene. In Deutschland war das wichtigste Problem neben der Fortexistenz alter Zerrbilder (Schlamperei, Autodiebe) das tief sitzende Desinteresse der Öffentlichkeit an polnischen Themen. Auch dies hat historische Wurzeln. Zu den bösen Mythen der deutschen Polen-Wahrnehmung gehörte, dass dieses Volk zur „richtigen“ Staats- und Kulturnation nicht das Zeug habe. Unter dem Einfluss dieser Kultur-Arroganz hat Deutschland polnische Nationalgeschichte, polnische Literatur traditionell gar nicht oder nur sehr flüchtig zur Kenntnis genommen. Dieses Klischee, dass den Polen den Nationscharakter abspricht, gibt es längst nicht mehr. Geblieben ist allerdings viel Desinteresse und viel Unkenntnis, und hier haben wir Deutschen weit mehr nachzuholen, als die an ihrem westlichen Nachbarn geradezu brennend interessierten Polen.

DK: 2012 wurden Sie für Ihren Beitrag „Der neue Schlesier“ mit dem Deutsch-Polnischen Journalistenpreis in der Kategorie Print ausgezeichnet. Sie schreiben seit Jahren über Polen und die deutsch-polnischen Beziehungen. Seit 2004 berichteten Sie aus Polen für die FAZ. Ist es Ihnen nicht langweilig geworden? Was können Sie in Polen als Journalist noch entdecken?

KS: Gott bewahre, da müsste noch viel Zeit vergehen, bis mir das langweilig wird. Es gibt noch so viel zu entdecken, dass ich auch über ein ganzes Leben nicht Zeit haben werde, alles zu sehen. Als politischer Korrespondent, der seit Jahren von Parlamentsresolutionen, Parteienstreit und Budgetverhandlungen gehetzt wird, würde ich davon träumen, genug Zeit zu haben, um tiefer ins Kulturleben einzusteigen. Ich wäre gerne ein Kenner der polnischen Literatur- und Filmszene, der bildenden Künste, der Essayistik in diesem Land – so wie das Albrecht Lempp verkörpert hat. Mal sehen, vielleicht, vielleicht – es kommen ja noch Jahre.

Konrad Schuller ist Korrespondent der FAZ. Im Jahr 2012 wurde er mit dem Deutsch-Polnischen Journalistepreis in der Kategorie Presse ausgezeichnet.
Das Gespräch führte Dorota Katner im Dezember 2012.