Dr. Constanze Stelzenmüller, Prof. Dr. Marek Cichocki, Fot. Hans Scherhaufer
„Europa ist kein ein für alle Mal erdachtes und fertiges Gebilde“, sagte Professor Joachim Rogall, Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung, bei der Eröffnungsveranstaltung. Darüber, dass sich um demokratische Werte unaufhörlich bemüht werden muss, sprach Dr. Anna Hofmann, Programmleiterin der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Die Einhaltung der Menschenrechte an der östlichen Peripherie Europas war ein Thema ihrer Rede.
Die Gastgeber der diesjährigen Deutsch-Polnischen Medientage – der Prorektor der Hochschule Stralsund, Professor Dirk Engel, und der Regierungssprecher von Mecklenburg-Vorpommern Andreas Timm – wiesen auf die fortschreitende Entwicklung neuer Medien hin und die daraus resultierende Notwendigkeit, seriösen Dialog und rationale Argumentation zu lernen. Der NDR-Intendant Lutz Marmor forderte hingegen einen unabhängigen und unpolitischen Journalismus und sparte dabei nicht mit Kommentaren zur Lage der polnischen öffentlichen Medien: „Die Mission der öffentlichen Medien muss in einer kritischen Herangehensweise an das Handeln der Wohlhabenden in dieser Welt bestehen“, so Marmor.
„In meinem Berufsleben sind die schwierigsten Zeiten angebrochen, dabei habe ich den Krieg in Jugoslawien und die Irak-Krise erlebt“ – mit diesen Worten eröffnet Dr. Constanze Stelzenmüller, Publizistin und Juristin sowie Robert Bosch Senior Fellow, die Debatte zum Thema „Ist es Zeit, Europa neu zu denken? Europa der Regionen oder Europa der Nationen?“. Bisher, so Stelzenmüller, hätten wir uns in den transatlantischen Beziehungen noch nie mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob Europa und Amerika weiterhin so viel gemeinsam haben, dass sie zusammenarbeiten können. Die Diskussionsteilnehmerin kritisierte scharf die Haltung der Regierung Donald Trumps, die sie im Zusammenhang mit dem Schutz von Minderheiten, der Meinungsfreiheit und dem politischen Pluralismus als verachtend bezeichnete. Stelzenmüller glaube an die Integrität der Europäischen Union, bleibe ihr gegenüber jedoch nicht unkritisch, was sie ausdrückte, indem sie die Differenzen der beiden Entwicklungskonzepte für Europa, deren Autoren Angela Merkel und Emmanuel Macron sind, zusammenfasste: „Merkel strebt nach einer Regelung dieser Frage auf internationaler Ebene, Macron hätte gern eine fortschreitende Föderalisierung. So sehr mein Herz auch für Macron schlägt, der Verstand entscheidet sich für Merkels Version.“
Die Probleme Europas stellte ein anderer Diskussionsteilnehmer, Professor Marek Cichocki, Programmdirektor des Europäischen Zentrums in Natolin, aus eher lokaler, mitteleuropäischer Perspektive dar. „Das, womit wir heute in der Europäischen Union zu tun haben, würde ich vielleicht nicht als existenzielle Krise bezeichnen, aber mit Sicherheit ist das einer der ernsthaftesten Wendepunkte in der Geschichte der Gemeinschaft. Die Euro-Zone hat der krönende Abschluss des Integrationsprozesses sein sollen, wird aber immer häufiger als Ursprung der EU-Krise wahrgenommen.“ Cichocki sagte, ihn interessierten die in den europäischen Gesellschaften vor sich gehenden Prozesse mehr als die große Politik: „Um die Probleme, mit denen wir zu kämpfen haben, zu erfassen, sollten wir Brüssel verlassen und uns ansehen, was in den Mitgliedsstaaten los ist. Die Fragen der Identität und die Wandlung von Werten sind ausschlaggebend für die Zukunft der EU.“
Die Vielzahl der Fragen, die im Laufe der kaum eine Stunde dauernden Diskussion auftauchten, zeigt, dass intensiver Gesprächsbedarf über die Probleme Europas besteht. Die Deutsch-Polnischen Medientage schaffen Raum für einen offenen und rationalen Meinungsaustausch und zeigen, dass für die Entwicklung der europäischen Integration der Dialog und das sich-aneinander-Reiben von Ansichten zentral sind.
Junge Redaktion der SdpZ: Joanna Bakoń, Michał Kaproń