„Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal vor deutschen Journalisten sprechen und sie davon zu überzeugen versuchen würde, dass wir alle die Europäische Union brauchen“, sagte Andrzej Godlewski, stellvertretender Direktor von TVP1 während der Debatte über Europa im Rahmen der 7. Deutsch-Polnischen Medientage in Potsdam.

An der Podiumsdiskussion nahmen Politiker, Diplomaten und Journalisten aus Polen und Deutschland teil. Unter den Gästen waren unter anderem Rolf Nikel, der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Polen, Markus Meckel, Kovorsitzender des Rates der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, Peter Lange, Chefredakteur von Deutschlandradio Kultur, sowie Andrzej Godlewski.

Diese Debatte war als Diskussion über Europa im Vorfeld der Wahlen in Brüssel gedacht, es dominierte jedoch die russisch-ukrainische Thematik. Wie Christoph von Marschall bemerkte, ist die deutsche Öffentlichkeit gespalten, sowohl hinsichtlich der weiteren diplomatischen Beziehungen zu Russland, als auch in Bezug auf die Bewertung der EU-Erweiterung von 2004, zu der auch Polens Beitritt gehörte.
„Deutschland sollte eine Politik der Offenheit betreiben“, sagte Markus Meckel, der letzte Außenminister der DDR. „Der Majdan war ein Aufstand für Europa, das sollten wir zu schätzen wissen.“
„Putin zu verstehen bedeutet nicht, Verständnis für sein Vorgehen zu haben“, pflichtete ihm Peter Lange bei. „Vor Jahren waren wir von ihm begeistert. Heute sprechen wir von einer enttäuschten Liebe.“
Andrzej Godlewski ist der Meinung, dass der ukrainisch-russische Konflikt überregionale Bedeutung hat. Ähnlich beschrieb Adam Krzeminski die Ereignisse in Kiew:
„Der Majdan ist das, was die Streiks auf der Lenin-Werft waren. Wir sollten nicht vergessen, dass Russland kein Imperium mehr ist und dass es nur noch vom Nationalismus zusammengehalten wird.“

Die Diskussionsteilnehmer sprachen auch über die Stimmungen im Vorfeld der Europawahlen in Polen und Deutschland. Der Moderator Wulf Schmiese vom ZDF stellte eine Studie vor, die die Unterschiede in der Bewertung der Europäischen Union zwischen Polen und Deutschland aufzeigt: 89 Prozent der Polen sind mit dem Beitritt zufrieden, während 56 Prozent der Deutschen der Meinung sind, die EU-Erweiterung 2004 um Polen und weitere neun Länder sei ein Fehler gewesen.
„Das sind beunruhigende Ergebnisse, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass im Jahr 2004 die Zahl der skeptischen Deutschen noch größer war“, bemerkte Lange.
„Es besteht eine sonderbare Kluft zwischen dem, was die Regierung und die Publizisten sagen, und dem, was die deutsche Gesellschaft denkt“, sagte Christoph von Marschall.
Alle Teilnehmer der Debatte waren sich einig über die Rolle der Medien bei der Vermittlung von Informationen über die europäische Integration.
„Beide Länder haben von der EU-Erweiterung profitiert“, so Godlewski. „Die polnische Infrastruktur konnte sich dank der EU-Gelder entwickeln und auf der anderen Seite kehren investierte Gelder in deutsche Unternehmen zurück.“

Die Podiumsdiskussion fand am 8. Mai statt, am Vortag des Europatages und des 64. Jahrestages der Unterzeichnung der Schuman-Erklärung.


Alicja Hubala, Magdalena Grynczel