„Heutzutage verkaufen wir vor allem Emotionen“ – Medien in der Ära des Internets

Piotr Stasiak, Fot. Hans Scherhaufer

Vor einer Weile hat die Frage „Ist das wichtig?“ die Frage „Ist das interessant?“ ersetzt. In der Welt der zeitgenössischen Medien sind Emotionen der Ausgangspunkt, über sie erreichen wir die Rezipienten – befanden die Teilnehmer des Workshops über die Mediensprache während der Deutsch-Polnischen Medientage.

Die Deutsch-Polnischen Medientage seien Anlass für eine Diskussion über die Sprache, die in Zeiten verwendet werde, da jeder zu Wort komme, und zwar durch die sozialen Medien, so der Moderator Piotr Stasiak, Journalist und Jurymitglied des Deutsch-Polnischen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreises. Facebook sei zur größten Tageszeitung im Internet geworden, die selbst mit Redaktionen wie The New York Times konkurrieren könne.

Der Moderator begann mit einer Präsentation. Er berief sich unter anderem auf Untersuchungen, die im Internet Trends Report 2019 beschrieben werden und ergaben, dass die Art und Weise, wie wir Medien benutzen, sich diametral geändert hat: Immer mehr Menschen tun dies über mobile Geräte.

Doch Hauptthema der Diskussion war nicht die Art und Weise der Informationsübertragung, sondern ihr Inhalt. Der deutsche Journalist Jürgen Hingst sprach davon, dass heute der emotionale Wert einer Nachricht durch ihren Informationswert ersetzt worden sei. Die TVN-24-Reporterin, Alicja Rucińska, fügte hinzu: „Wir versuchen, große Ideen zu vermitteln, aber wir spielen mit den Emotionen, über die wir die Rezipienten erreichen.“

Die Diskussionsteilnehmer sprachen auch von dem Rollenwechsel in den Medien: Heute sei, dank der Möglichkeiten zu kommentieren, der Empfänger von Informationen gleichzeitig zum Sender geworden. Diskussionen in Internetportalen seien zuweilen verbissen, und die Autoren von Kommentaren in ihrem Wortschatz nicht wählerisch. Sie machen Gebrauch von Hassrede, vertreten fremdenfeindliche und rassistische Haltungen. Dies habe es notwendig gemacht, dass Kommentare von Redaktionen moderiert werden müssen.

Die im Saal anwesenden Medienvertreter gestanden ein, dass ihre Redaktionen lieber in die Moderation von Kommentaren investieren, als die Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen, gänzlich zu blockieren. Obwohl es auch zu solchen Fällen käme.

Ewelina Karpińska-Morek, Leiterin von Interia, dem Onlineauftritt von Fakty, sagte: „Nach dem Tod des Stadtpräsidenten von Danzig, Paweł Adamowicz, schafften wir es nicht, der Hassrede in den Kommentaren Herr zu werden. Wenn das Material den Tod eines Menschen betrifft, schalten wir die Kommentarfunktion aus.“

Die Journalistin gestand dennoch ein, dass es von den Themen, die dies notwendig werden lassen, leider wesentlich mehr gibt. Sie sprach auch davon, dass sie selbst ihr Abenteuer mit den Medien als Moderatorin von Kommentaren in Internetportalen begonnen hatte.

„Das war eine wahnsinnig interessante und zerstörerische Erfahrung. Während einer Schicht las ich 4.500 Kommentare. Ich hielt ein Jahr durch.“

In den heutigen Medien ist jede Stimme wichtig, jede Stimme zählt. Seriosität hört auf, eine zentrale Rolle zu spielen. Wichtiger ist die Anzahl der Klicks. In dieser Realität spielen Emotionen eine grundlegende Rolle, sie sollen einen Sturm auslösen. Sie sollen Interesse wecken. Die Medien verändern sich, passen sich an die neuen Realien an. Und entfernen sich damit gleichzeitig immer weiter von der wahren journalistischen Frage „Ist das, worüber ich schreibe, wichtig?“

Robert Grześkowiak

Hubert Szczypek

(aus dem Polnischen von Antje Ritter-Miller)