Sehr geehrte Damen und Herren,

mir ist die Ehre zuteil geworden, die Laudatio auf die Siegerin des Wettbewerbs um den Deutsch-Polnischen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis in der Kategorie „Print“ halten zu dürfen.

Die Reportage von Magdalena Grzebałkowska „Singt, ihr Nazis!“, die in Gazeta Wyborcza veröffentlicht wurde, hat mich erschüttert. Erschüttert haben mich die Beschreibungen der Grausamkeiten und die menschlichen Dramen, die – obwohl das Ende des Zweiten Weltkrieges nah war – für manche leider weitergingen. Dank der Autorin, die Zeitzeugen ausfindig gemacht hat, sind Geschichten von vor 70 Jahren ans Tageslicht geholt worden. Und dank ihr bleiben sie unvergessen.

Die Erzählung darüber, was im Lager in Lambsdorf (pl. Łambinowice) im Jahr 1945 geschehen ist, ist eine ausgezeichnete Geschichtslektion. Für Polen und für Deutsche. Diese Reportage ist mir tief im Gedächtnis geblieben. Sie hat sich geradezu in mein Gedächtnis eingemeißelt. Denn Magdalena Grzebałkowska ist eine Meisterin des Spannungsaufbaus und der ergreifenden Einzelheiten.
Ich konnte „Singt, ihr Nazis!“ nicht in einem Zug lesen. Ich musste in Etappen lesen, denn es war nicht leicht für mich, durch diese Masse an menschlichen Dramen und die von Emotionen überlaufenen Sätze durchzukommen.

Doch diese Geschichte ist nicht nur eine Tragödie, sie gibt vor allem zu denken, fordert auf zur Reflexion über das sei Jahrzehnten in uns Polen steckende Bild: „Der Pole ist der Gute, der Deutsche der Böse“. Diese Geschichte zeigt, Magdalena Grzebałkowska zeigt, dass es gar nicht so war.

Ein Fragment aus der Reportage ist mir noch im Ohr: „Was sollen wir mit den noch in Polen verbliebenen Deutschen machen? Wir werden sie nicht foltern, auch nicht in Öfen verbrennen – wir sind ja keine Deutschen …“
Der Text beschreibt Polen, die – obwohl sie den Alptraum des Krieges erlebt hatten, obwohl sie viel Leid erfahren hatten – gleich nach dem Krieg den Deutschen auf polnischem Gebiet die Hölle bereitet haben. Nur deshalb, weil sie Deutsche waren: sie haben sie gedemütigt, geschlagen, ermordet. Als Vergeltung für die Kriegsleiden, aus Rache.

Die Autorin ist nicht nur eine fantastische Reporterin, deren Text alles hat, was eine gute Reportage haben muss: interessante Protagonisten, eine fesselnde Geschichte, Emotionen, Rhythmus und Sprache. Sie hat auch – und das ist für mich wertvoll – die Gabe, so zu erzählen, dass man bei ihren Geschichten nicht gleichgültig bleiben kann. Sie wecken Gefühle. Sie hat das Talent, aus hunderten recherchierten Geschichten, die interessantesten und wertvollsten von den weniger wichtigen zu unterschieden. Und das ist bei der Arbeit eines Journalisten eine wertvolle Fähigkeit.

Magdalena Grzebałkowska – sie hat an der Universität Danzig Geschichte studiert – kann wunderbar schreiben: sei es ein Buch über die Beksińskis, über Jan Twardowski, oder – und damit hat sie mich kürzlich gefesselt – über die Geschichte im entscheidenden Jahr 1945. Ich gebe zu, dass die sechsstündige Zugfahrt von meinem geliebten Wrocław nach Szczecin unerwartet schnell vergangen ist bei der Lektüre ihres letzten Werkes – „1945. Krieg und Frieden“, in dem die Reportage „Singt, ihr Nazis!“ neben vielen anderen faszinierenden Geschichten veröffentlicht wurde.

Die preisgekrönte Reportage setzt sich mit der schwierigen Geschichte von Polen und Deutschen auseinander. Sie ist auch eine Mahnung für die kommenden Generationen. Magdalena Grzebałkowska – danke für diese Geschichte. Ich bin gespannt auf weitere …

Im Namen der Jury gratuliere ich der Siegerin.

Robert Migdał