„Grenzüberschreitende und regionale Medien als Agenda-Setter – Was sollten wir in den Medien über das Nachbarland erfahren?“ – war das Thema des zweiten Medienforums im Rahmen der 4. Deutsch-Polnischen Medientage. Die Teilnehmer sprachen über die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen deutschen und polnischen Medien.
Es wurde darüber diskutiert, wie wichtig Informationen über Polen in den deutschen Medien und über Deutschland in den polnischen Medien sind, und ob die Medien in der Lage sind, den gesellschaftlichen Trends und Stimmungen des Nachbarlandes Ausdruck zu verleihen bzw. ob sie überhaupt dazu bereit sind, darüber zu informieren.
In die Debatte führten ein: Jurek Owsiak, Vorstand der Stiftung "Das große Orchester der Weihnachtshilfe“, Gründer von Woodstock Festivals Poland, sowie Wolfgang Kenntemich, Chefredakteur des MDR.
Owsiak unterstrich, dass das Festival die jungen Menschen auf beiden Seiten der Grenze verbindet, dass es eine besondere Form des Meinungsaustausches ist. Er sprach außerdem über das Feedback, dass das Festival von der westlichen Seite der Oder bekommt. „Es findet in einer Grenzstadt statt, deshalb zieht es zwangsläufig die Aufmerksamkeit der deutschen Medien auf sich. Jährlich kommen etwa 60.000 Deutsche zu Woodstock Festivals Poland. Das trägt zur Integration bei. Während dieser mehrtägigen Veranstaltung lernen wir, in Gemeinschaft zu leben, mit Menschen zu reden, auch mit den Nachbarn. Es werden außerdem wichtige gesellschaftliche und politische Fragen aufgegriffen. Uns liegt sehr viel daran, dass immer mehr Nachbarn das Festival besuchen, damit die deutschen Medien über dieses wunderbare Event berichten“, so Owsiak.
Wolfgang Kenntemich sprach von der Objektivität der medialen Botschaften auf beiden Seiten der Grenze. „Ich denke, dass die Bedingungen für unsere Arbeit nie so gut waren wie heute. Noch bis vor Kurzen war es nicht möglich, bestimmte Ereignisse objektiv darzustellen. Das hat sich geändert. Es haben sich aber auch die Themen geändert. Deshalb verzichtet man zunehmend auf professionellen Journalismus. Durch diese Tendenzen entsteht 'Fastfoodjournalismus'. Spezialisten sprechen von einer Entstellung der Medien, die eine andere Form annehmen. Ich würde mir mehr gemeinsame mediale Initiativen wünschen, vor allem auf der regionalen und lokalen Ebene.“
Beide Auftritte inspirierten die Debatte, deren Teilnehmer waren: Jürgen Hingst, Chef vom Dienst in der Aktuell-Hörfunkredaktion im NDR-Landesfunkhaus Mecklenburg-Vorpommern und Vorsitzender der Landespressekonferenz, Adam Krzemiński, Polityka, Frank Mangelsdorf, Chefredakteur der Märkischen Oderzeitung, sowie Marek Twaróg, Chefredakteur von Polska Dziennik Zachodni und ehemaliger Chefredakteur von Gazeta Wrocławska. Die Diskussion moderierten Matthias Beermann von der Rheinischen Post und Andrzej Godlewski, Journalist und Publizist (Wprost, Gość Niedzielny).
„Die Medien haben die Funktion des Lehramtes verloren. Ich erinnere mich an Zeiten, als große Journalisten die Ereignisse in den deutsch-polnischen Beziehungen erklärten. Jetzt dominiert die Information. Wir führen keine Aktionen durch, die das Wissen über den Nachbarn erweitern würde, weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Die Informationen unterliegen dem Herdentrieb. Früher gab es Texte, die die Mentalität, die Geschichte und Unterschiede erklärt haben, und die dann Debatten auslösten. Das ist heute anders. Ich bin der Meinung, dass heute ein Defizit an solchen Informationen und überhaupt an Informationen über den Nachbarn existiert. Die Medien erklären nicht und erläutern nicht“, sagte Adam Krzemiński.
Die übrigen Teilnehmer pflichteten ihm bei. „Es gibt enorme Defizite im Wissen übereinander. Dieses Wissen verschwindet geradezu. Leider füllen die Medien diese Lücke nicht auf“, erklärte Frank Mangelsdorf. „Unsere Nachbarschaft ist unsere Realität. Darüber muss berichtet werden. Wir sollten uns bemühen, enger miteinander zusammenzuarbeiten“, fügte er zum Abschluss hinzu.
Nach der Debatte lud Jurek Owsiak die Podiumsteilnehmer ein, an einer ähnlichen Debatte auf Woodstock Festivals Poland teilzunehmen.
Zielona Góra, 31.05.11