An der Abschlussdebatte der 15. Deutsch-Polnischen Medientage nahmen teil: Dr. Piotr Andrusieczko – Korrespondent der "Gazeta Wyborcza" in der Ukraine, der mit dem Outriders-Team verbunden ist, Tetiana Kozak – Journalistin, die mit dem Portal graty.me zusammenarbeitet und Moritz Gathmann – Reporter und Journalist des Magazins "Cicero". Die Debatte wurde moderiert von  Oliver Bilger – Redakteur des "Tagesspiegels" und Dr. Ludwika Włodek – Reporterin, Dozentin am Zentrum für Osteuropastudien an der Universität Warschau.

Die Diskussionsteilnehmenden beschrieben die Situation in der Ukraine kurz vor und in der Anfangsphase des Konflikts. In Gesprächen mit den Einwohnern konnte man die wachsende Unruhe spüren, betonten sie, aber niemand rechnete mit einem Einmarsch russischer Truppen. Alle gingen davon aus, dass sich im schlimmsten Fall das Szenario von 2014 wiederholen und die Offensivaktionen von Putins Armee nur auf das Donbass-Gebiet beschränkt sein würden. Daher das anfängliche Chaos, das die Arbeit der Journalisten erschwerte.

Nach Beginn des Krieges wurden die meisten Redaktionen westlicher Medien in sicherere Gebiete der Ukraine verlegt. Eine Ausnahme bildeten die Journalisten der deutschen öffentlich-rechtlichen Medien, die laut Mortiz Gathmann das russisch besetzte Land nach dem Prinzip "Sicherheit geht vor" vollständig verließen. Der Korrespondent hat aber darauf hingewiesen, dass deutsche BerichterstatterInnen, die als Vertreter privater Medien tätig sind, vor Ort blieben. Wie andere westliche Journalist:innen haben sie angefangen, verstärkt mit lokalen Medien, die sich in den Konfliktgebieten viel freier bewegen konnten, zusammenzuarbeiten.

Amerika kommt näher als die Ukraine

Die Diskussionsteilnehmer versuchten, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie das Publikumsinteresse an dem anhaltenden Konflikt im Osten aufrechterhalten werden kann. Piotr Andrusieczko betonte, dass der Zeitpunkt der Belagerung von Kiew und die Enthüllung der russischen Verbrechen in Bucza die Höhepunkte waren, an denen die Nachrichten aus der Ukraine von den meisten Menschen verfolgt wurden. Nun ist jedoch eine zunehmende Ermüdung des Publikums am Thema Krieg zu beobachten. Moritz Gathmann reagierte auf die Worte seines Kollegen und versuchte zu erklären, warum dies in seinem Heimatland der Fall ist. Nach seinen Worten wollen die meisten Deutschen, dass der Konflikt so schnell wie möglich gelöst wird und dass zur Normalität zurückgekehrt wird, selbst wenn dies mit dem Verlust der Unabhängigkeit und der östlichen Gebiete der Ukraine einhergeht. Er stellte auch fest, dass einige Einwohner Westdeutschlands die Ukraine nicht gut verstehen und nicht kennen, weil sie nie die Gelegenheit hatten, sie kennen zu lernen. In diesem Zusammenhang sollen Italien, Griechenland oder sogar Südamerika näher an ihnen dran sein. 

Die Diskussionsteilnehmenden unterstrichen, dass es äußerst gefährlich ist, sich über den anhaltenden Krieg im Osten hinwegzusetzen. Die Tatsache, dass wir nicht mehr wie zu Beginn über alle möglichen Medien Informationen von der Front erhalten, und das Einfrieren der Feindseligkeiten bedeuten nicht das Ende des Krieges, sondern nur seine Verlängerung. Der Unterschied zwischen der Situation zu Beginn des Konflikts und der jetzigen Lage wurde von Tetiana Kozak veranschaulicht. Sie sagte, dass sie immer noch in großer Anspannung mit der Situation in ihrem Heimatland lebt, aber jetzt kann sie es sich leisten, das Land für ein paar Tage zu verlassen, was in der ersten Phase des Krieges für sie undenkbar war.

Aus diesem Grund sollten sich KriegsberichterstatterInnen von zwei moralischen Grundsätzen leiten lassen: sie sollten besonders darauf achten, dass die von ihnen gelieferten Informationen richtig sind, und sie sollten sich an den Grundsatz halten, „in erster Linie keinen Schaden anzurichten“, was bedeutet, dass sie sensible Daten zurückhalten müssen, z. B. darüber, wo ukrainische Truppen stationiert sind.

Dennoch gibt es einige Unterschiede in der Herangehensweise der polnischen und deutschen Kriegsberichterstatter. Erstere berichten in der Regel auf eine direkte Art und Weise und lassen keinen Raum für mögliche Fehler. Letztere hingegen zeigen mehr Misstrauen gegenüber den Nachrichten, die sie erhalten, und verwenden Formulierungen wie: „angeblich“, „nach Angaben der ukrainischen Regierung“ oder „nicht sicher, ob die von der ukrainischen Seite vorgelegten Daten richtig sind“. Dieser Ansatz mag zwar den Anschein erwecken, die geschilderten Ereignisse zu verharmlosen, wirkt sich aber positiv auf die Zuverlässigkeit der übermittelten Informationen aus.

Klaudia Mirczak

Filip Karasiewicz