Ein Treffen in einem so ausgezeichneten Kreis von Persönlichkeiten, die mit ihrem Mut und ihrem Vorgehen für immer in die neuste Geschichte von Mittelosteuropa eingegangen sind, ist eine hervorragende Erfahrung. Genau solche Erfahrungen bereichern die Teilnehmer und - davon bin ich überzeugt - haben einen realen Einfluss auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens. Diese Worte des Marschalls Władysław Husejko, die während der Eröffnung des Medienforums gefallen sind, geben den Charakter und die Atmosphäre dieser Veranstaltung genau wieder.


„Die Chancen der Europäer nach 1989 - Was haben wir gewonnen, was haben wir verpasst“ Es diskutierten Steffen Seibert (ZDF), Hans-Dietrich Genscher, Lech Wałęsa und Tomasz Lis (TVP)

Wie zu erwarten war, versammelte sich am Donnerstag bei den Debatten im Medienforum, das im Rahmen der 2. Deutsch-Polnischen Medientagen stattfand, ein außergewöhnlich großer Kreis von Teilnehmern und Beobachtern. Bevor die erste Podiumsdiskussion eröffnet wurde, begrüßten die Gastgeber und Veranstalter des Medienforums - der Marschall der Woiwodschaft Westpommern Władysław Husejko sowie der Stadtpräsident von Stettin, Piotr Krzystek und der Ko-Vorsitzende der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, Andrzej Grajewski - die Gäste. Eine kurze Eröffnungsansprache wurde vom deutschen Botschafter in Polen, Michael H. Gerdts, vorgetragen.

In der ersten Podiumsdiskussion mit dem Titel „Die Chancen der Europäer nach 1989 - Was haben wir gewonnen, was haben wir verpasst“ waren in den Hauptrollen wichtige Akteure der Zeit des Umbruchs zu sehen.

So nahmen am ersten Gespräch Lech Wałęsa, Präsident der Republik Polen von 1990-1995, und Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister des Auswärtigen von 1974-1992, teil. Die Debatte wurde von Tomasz Lis vom Polnischen Fernsehen und von Steffen Seibert vom ZDF moderiert. „Wirklich viele Polen führten den Fall der Berliner Mauer mit herbei, allen voran Papst Johannes Paul II“, sagte Hans-Dietrich Genscher zu Beginn der Debatte. „Aber dies war nicht das einzige Ereignis, das zum Wandel in Europa führte“, ergänzte er. „Es gab schon eher Symptome in Europa, so wie den Volksaufstand in der DDR 1953, den Aufstand 1956 in Ungarn und ein ums andere Mal die Ereignisse in Polen.“ „Zweifellos jedoch“, betonte Außenminister Genscher, „waren die Ereignisse in Polen 1989 der Beginn eines neuen Zeitabschnitts, auch dank Premierminister Tadeusz Mazowiecki.“

Relativ viel Platz wurde in dieser Diskussion den deutsch-polnischen Beziehungen vor 20 Jahren und heute gewidmet. Hans-Dietrich Genscher hob hervor, dass er bevor es zu den Gesprächen am Runden Tisch kam, als Außenminister - die Vereinigung voraussehend - versicherte, dass die polnischen Grenzen nicht in Frage gestellt werden, wenn sich Deutschland vereinigt. Er erinnerte auch daran, dass Deutschland das erste Land war, das sich für eine Mitgliedschaft Polens in der Europäischen Union ausgesprochen hatte. Starke Emotionen rief die Frage von Tomasz Lis hervor, ob wir heute sagen können, dass Deutsche und Polen miteinander befreundet sind. Außenminister Genscher zögerte nicht der Antwort. „Ich kenne die Gefühle der Deutschen, es ist ein tiefes Gefühl der Freundschaft“, entgegnete er entschieden.

Den Charakter einer intellektuellen Provokation hatte dagegen eine persönliche Feststellung von Moderator Steffen Seibert, der meinte, dass die Polen heute eine offenere Nation seien als die Deutschen. „Wir gehören demselben Bündnis an, wenn jemand sagt, dass das nichts bedeutet, dann versteht er nicht viel“, entgegnete darauf Hans-Dietrich Genscher. Lech Wałęsa wiederum fügte auf dieselbe Frage hinzu: „Für eine Freundschaft brauchen wir noch zwei Generationen, die Entwicklung aber verurteilt uns zu einer Freundschaft.“

Während der Debatte wurden auch schwierige Themen angesprochen: das Thema der antideutschen Phobie bei einigen polnischen Politikern oder Artikel in der deutschen Presse, die die Deutschen von ihrer Schuld entlasten oder Polen gegenüber negativ sind. Präsident Wałęsa kommentierte diese „Brüche der gegenseitigen Beziehungen“, indem er sagte, dass in Polen die Zeit der Populisten und Demagogen noch immer andauere. Hans-Dietrich Genscher erklärte dagegen, dass die deutsche Presse frei sei und dass man seiner Meinung nach eine Nation nicht anhand einzelner Veröffentlichungen beurteilen sollte.