„Was macht die vierte Gewalt? Die Rolle der Medien in den deutsch-polnischen Beziehungen“ – so lautete das Thema der zweiten Debatte im Rahmen der 6. Deutsch-Polnischen Medientage in Wrocław. Die Teilnehmer sprachen darüber, wie das Thema Nachbarschaft in den Medien auf beiden Seiten der Grenze dargestellt wird. Hervorgehoben wurde die Bedeutung des persönlichen Engagements der Journalisten und ihre Kenntnis von den Problemen des Landes, in dem sie als Korrespondenten tätig sind.

An der Diskussion nahmen teil: Arkadiusz Franas – Chefredakteur von Gazeta Wrocławska,  Piotr Semka – Publizist des Wochenmagazins Do Rzeczy und der Tageszeitung Rzeczpospolita, Kai Gniffke – Chefredakteur von ARD-aktuell und Johannes Beermann – Staatssekretär und Chef der Sächsischen Staatskanzlei, zuständig für die Medienpolitik. Die Debatte wurde moderiert von Martin Sander von Deutschlandradio und Rafał Woś von Gazeta Prawna. Sie repräsentierten verschiedene Medientypen: Radio und Printmedien, regional und überregional, privat und öffentlich bzw. eine staatliche Institution.

In der Diskussion ließ sich beobachten, wie unterschiedlich die Betrachtungsweise des gleichen Themas in den regionalen und überregionalen Medien sein kann. Die Diskussionsteilnehmer sprachen darüber, ob die deutsch-polnischen Beziehungen eine besondere Rolle in den polnischen und den deutschen Medien spielen sollten und welche Themen sich besonderen Interesses bei den polnischen und deutschen Lesern erfreuen.

Es wurde auch über kontroverse Themen gesprochen. Piotr Semka brachte den Begriff „Versöhnungskitsch“ ins Spiel, der eine Diskussion über die Frage auslöste, ob wir es tatsächlich mit Kitsch zu tun habe. Martin Sander hielt fest, dass in der DDR die Versöhnung mit Polen ein Element der staatlichen Politik gewesen sei, die offiziell verkündet wurde, mit der sich aber die einfachen Menschen nicht identifizierten. Herrscht im wiedervereinigten Deutschland nicht eine ähnliche Politik der „guten Beziehungen mit Polen“, fragte Sander. Johannes Beermann antwortete, es sei nicht notwendig von „der Gestalt der deutsch-polnischen Versöhnung“ zu sprechen, weil sich dieser Versöhnung bereits vollzogen habe.  Ähnlich fasste Arkadiusz Franas das Problem zusammen, während Piotr Semka die Frage anders betrachtete: Seiner Meinung nach besteht die Wahrscheinlichkeit, dass wir es noch immer nicht gelernt haben, gemeinsam über schwierige Themen zu sprechen. Der viel besprochene ZDF-Film „Unsere Mütter, unsere Väter“ sei ein weiteres Beispiel für fehlendes Verständnis und die fehlende Diskussion über kontroverse Themen. Semka wies auf den Widerspruch hin, dass es sich einerseits eingebürgert habe, von Versöhnung zu sprechen, wenn aber jemand schwierige Themen anspreche, werfe man ihm vor, er wolle die deutsch-polnischen Beziehungen beschädigen. Letztendlich waren alle Diskussionsteilnehmer damit einverstanden, dass gute nachbarschaftliche Beziehungen die Fähigkeit voraussetzen, Diskussionen zu verschiedenen Themen führen zu können.

Es fiel auch die Frage, inwieweit polnisch-deutsche Themen sich in den Medien angesichts der allgegenwärtigen Popkultur durchsetzen können. Können polnisch-deutsche Themen sexy sein? Über die Nachbarn schreibt man schließlich nicht nur dann, wenn etwas vorgefallen ist, das das Land erschüttert oder Kontroversen hervorgerufen hat, sondern es muss auch das Alltagsleben beschrieben werden. Dennoch waren sich die Diskussionsteilnehmer darüber einig, dass diese Thematiken vor allem für Verleger der Regionalpresse interessant sind. Angesprochen wurde auch die Rolle der Journalisten selbst. Die vorangegangene Generation der deutschen Korrespondenten bestand in gewisser Weise aus Hobbyisten. Sie interessierten sich tatsächlich für Polen und es war ihnen ein Anliegen, dass die Deutschen ihr Nachbarland und die Mentalität seiner Bewohner besser verstehen. Solche Enthusiasten gebe es immer weniger und daraus resultiere unter anderem das Problem des fehlenden Verständnisses. Allgemein – so die Diskussionsteilnehmer – hinge die Rolle der Medien bei der Gestaltung der deutsch-polnischen Beziehungen von der Zahl der Korrespondenten und der Qualität ihrer Arbeit ab.