Einer der umstrittensten Sender Polens begann am 9. Dezember 1991 als katholisches Lokalradio in Bydgoszcz seinen Sendebetrieb. Neben Antisemitismus und politischer Einmischung werden seither Radio Maryja, das heute aus Thorn sendet, immer wieder dubiose Finanzgeschäfte vorgeworfen. Radio Maryja wurde von dem polnischen Redemptoristen-Pater Tadeusz Rydzyk gegründet, der in Polen seit Jahren eine der umstrittensten Personen des öffentlichen Lebens ist, die allerdings auch einen gesellschaftlichen Einfluss hat, der nicht unterschätzt werden sollte.

Bis Ende 1993 erhielt Radio Maryja knapp 120 lokale Sendelizenzen, die 1994 vom zuständigen Landesrat für Rundfunk und Fernsehen in eine polenweite Lizenz umgewandelt wurden. Da der Sender einen besonderen Status (gemeinnützig) genießt, muss er pro Jahr nicht die sonst üblichen Lizenzgebühren von 7,6 Millionen Złoty (ca. zwei Millionen Euro) entrichten, sondern nur 20 Prozent dieser Summe. Dieses Privileg bringt ein gänzliches Werbeverbot mit sich, dass der Sender laut Experten aber nicht einhält. Nach Eigenangaben wird das Programm von sechs Priestern, drei Nonnen und rund 200 Laienhelfern produziert und aus Spenden finanziert. Das Programm besteht hauptsächlich aus Gebeten und Kirchenliedern, die von Reportagen, Kommentaren und Hörerstunden unterbrochen werden. In den Gesprächsrunden wird mit Vertretern aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Kultur diskutiert.

Landesweit können knapp 80 Prozent der Haushalte den katholischen Privatsender empfangen, gehört wird er von etwa einer Million Polen, mehr als 70 Prozent der Hörer sind über 60 Jahre alt. Der Erfolg des Radiosenders, der in den 90er Jahren täglich bis zu sechs Millionen Hörer hatte, ermöglichte es Rydzyk, in den letzten Jahren weitere Unternehmungen wie die „Hochschule für Sozial- und Medienkultur“ (Wyższa Szkoła Kultury Społecznej i Medialnej) in Thorn, den Fernsehsender „Telewizja Trwam“ und die Tageszeitung „Nasz Dziennik“ zu gründen.

Kritiker werfen Tadeusz Rydzyk vor, dass er u. a. Nationalismus propagiere und die Lehre der katholischen Kirche verzerrt darstelle. Alle bisherigen Versuche der polnischen Bischofskonferenz, den Sender zu mäßigen, wollten nicht recht glücken. So wacht seit Mai 2006 ein achtköpfiger Programmrat mit vier Vertretern der katholischen Kirche über die Ausrichtung des Senders. Geholfen hat das wenig. Unbestritten ist, dass Rydzyks Einfluss auf die politische Szene Polens zugenommen hat und unter der PiS-Regierung von Ende 2005 bis Ende 2007 enorm war. Nicht zuletzt deswegen, da Rydzyks Plädoyer für Lech Kaczyński im Präsidentschaftswahlkampf 2005 mit ausschlaggebend gewesen ist.

Immer wieder sorgt der Geistliche für Schlagzeilen, so 2007, als eine heimlich mitgeschnittene Aufnahme eines Vortrags an die Öffentlichkeit gelangte. Rydzyk malte darin nicht nur das Gespenst des „gierigen Juden“ an die Wand, der „65 Milliarden“ aus Polen herauspresst habe, sondern empfahl der Präsidentengattin Maria Kaczyńska, sich der „Euthanasie“ zu überantworten, weil sie Abtreibung nicht bedingungslos genug ablehnte.

Im ersten Quartal 2012 hatte Radio Maryja einen Marktanteil von 3,3 Prozent, das bedeutet eine Steigerung von über 30 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im vorangegangenen Jahr.


(06.10.2012 | Copyright: Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit 2012)