Johannes von Thadden, Co-Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
Eröffnungsrede auf den 5. Deutsch-Polnischen Medientagen am 15. Mai 2012 in Schwerin
Exzellenzen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, lieber Herr Kampeter, sehr geehrter Herr Professor Balcerowicz, meine sehr verehrten Damen und Herren,
wir hatten gestern einen gelungenen, und doch eher sportlichen Auftakt der Medientage in Schwerin. Erlauben Sie mir, dass ich mich heute zur Begrüßung in Namen der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit mehr auf die Medientage selbst, ihre Geschichte und Bedeutung für uns beziehe. Und ich tue dies ganz ausdrücklich und sehr gerne gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung, unserem Partner in dieser Zusammenarbeit.
Wir bedanken uns herzlich bei den Gastgebern hier, in der schönen Stadt Schwerin, bei Herrn Ministerpräsidenten Erwin Sellering, allen seinen Mitarbeitern, den Mitarbeitern hier im Landtag, bei der Landtagspräsidentin, die uns ermöglicht haben, dass wir in diesen Tagen hier gemeinsam in diesem doch ausgesprochen schönen Landtag tagen dürfen.
Unsere Stiftungen haben vor fünf Jahren, im Jahr 2007, erstmalig diese Kooperation beschlossen und umgesetzt, weil klar geworden war, dass mit dem Deutsch-Polnischen Journalistenpreis ein guter Ansatz existierte, den wir gemeinsam ausbauen und für den wir auch eine überregionale Wirkung erzielen wollten.
Ich glaube, dass wir das sagen können: Dies ist gelungen. Die Zahl der Einsendungen für den Journalistenpreis hat sich in diesen fünf Jahren verdoppelt; es gibt inzwischen eine landesweite Beteiligung daran und der Journalistenpreis prämiert längst nicht mehr nur die Berichterstattung aus dem Grenzraum. Und gleichzeitig ist es gelungen, diesen regionalen Charakter zu behalten und gleichzeitig eine stärkere überregionale Zusammenarbeit und einen überregionalen Charakter für die Deutsch-Polnischen Medientage hinzuzufügen.
Wir sind heute nicht in Warschau und nicht in Berlin, sondern in der Hauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns. Im letzten Jahr fand die Tagung in Grünberg statt, im nächsten Jahr werden wir in Breslau sein – eine grenzverbundene Veranstaltung von landesweiter Bedeutung. Und genau so soll es in unserer deutsch-polnischen Zusammenarbeit auch sein.
Es war vielleicht ein Glücksfall, dass damals mein Vorgänger im Amt als Ko-Vorsitzender der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, der ehemalige Justizminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herr Herbert Helmrich, sein Wissen und seine Kompetenz zusammengebracht hat, um beides zusammenzubringen: den Journalistenpreis der Grenzregionen und die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit.
Das Anliegen des Journalistenpreises mit seinen Anfängen vor 15 Jahren und das Anliegen der Medientage vor 5 Jahren besteht vor allem darin, dass sich Polen und Deutsche über die Grenze hinweg (und dies gerade an der Grenze oder der Grenze entlang) besser kennen- und verstehen lernen. Die Journalisten untereinander und, über ihre Arbeit, die Bürger beider Länder.
Polen wurde 2004 Mitglied der Europäischen Union und ist seit 2007 Mitglied im Schengenverband. Eigentlich gibt es die Grenze zwischen Deutschland und Polen in der alten Form gar nicht mehr.
Wenn wir heute mit dem Warszawa-Berlin-Express von der einen in die andere Hauptstadt fahren, schaut uns niemand mehr in die Koffer und niemand verlangt von uns einen Pass. Und das Schlimmste, was uns bei der Fahrt passieren kann, ist, dass wir uns darüber ärgern, dass der Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecke nicht richtig vorankommt. Für jemanden, der die Zeit davor noch in Erinnerung hat, und der vor 1989 durch diesen Teil Europas gereist ist, grenzt all dies immer noch an ein Wunder.
Ich weiß, dass die jüngere Generation – und eigentlich müssen wir inzwischen schon sagen: die jüngeren Generationen – dies für deutlich weniger wundersam halten als wir Älteren. Und zu ihrem Glück. Denn die Kinder des Erasmus-Stipendien-Zeitalters kennen in unserem Europa keine wirklichen Grenzen mehr. Und dennoch: Dass es sie eben doch noch gibt, diese Grenzen, das erfahren wir täglich nicht zuletzt durch die Medien.
Wenn wir uns anschauen, wie die Medien in der Grenzregion über deutsche und polnische Vorgänge informieren, dann sehen wir, dass entlang der Oder und der Neiße in vielfacher Hinsicht immer noch eine Trennlinie verläuft.
Dass jeder nach seinen Gewohnheiten und auf seine Art informiert, ist richtig. Die Vielfalt der Kulturen, die wir in der Einheit Europas pflegen und erhalten wollen, diese Vielfalt der Kulturen gilt auch für die Vielfalt der Berichterstattung. Darüber hinaus müssen wir aber feststellen, dass beide Länder, beide Gesellschaften, mitunter getrennt durch Sprache, Geschichte und Kultur nur allzu oft immer noch mit dem Rücken zueinander stehen und getrennt über sich und nur selten genug über den Nachbarn berichten. Getrennt und das auch noch oft ohne echte Einsicht.
So täte uns Deutschen in der augenblicklichen europäischen Debatte über Finanz- und Wirtschaftspolitik ein Blick über den Tellerrand gut. Zu oft wird in unseren Medien der Eindruck erweckt, Deutschland stehe als Musterland, was Wachstum, Arbeitsplätze, Neuverschuldung angeht, alleine da. Wer weiß in Deutschland, dass Polen eine Neuverschuldungsbremse schon installiert hatte, als wir in Deutschland dieses Wort noch gar nicht kannten? Wer nimmt in Deutschland wahr, dass Polen eine Wachstumslokomotive für Europa geworden ist – gemeinsam mit Deutschland, aber auch gemeinsam mit anderen Ländern? Sehr geehrter Herr Professor Balcerowicz, dafür können Ihnen nicht nur die Polen dankbar sein, sondern auch Deutschland. Stärker wahrzunehmen, was wir aneinander haben, entspräche nicht nur der Realität in Europa, es wäre auch noch klug, denn alleine kann niemand diese Krise in Europa bewältigen, gemeinsam aber schon.
Es sind wenige, die regelmäßig im Kontakt mit ihren Journalistenkollegen auf der anderen Seite der Grenze berichten und erklären, was gerade dort, häufig nur ein paar Kilometer weiter, geschieht und was auf beiden Seiten der Grenze die Gemüter bewegt; die berichten und erklären, warum zum Beispiel bei der Arbeitslosigkeit, bei der Klima-, Energie- oder bei Umweltdiskussion die Stimmen anders klingen als auf der jeweils anderen Seite der Grenze. Die regionale Welt ist gerade in dem Bereich, wo sich die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und der Freistaat Sachsen mit ihren Nachbarregionen Westpommern, dem Lebuser Land und Niederschlesien berühren, eine gemeinsame Welt und wird doch in aller Regel getrennt behandelt, interpretiert und getrennt bewertet.
Klima, Energie, Umwelt, Migration, der Benzinpreis, Wechselkurse – es gibt kaum noch etwas, das uns nicht in gleicher Weise betrifft und in gleicher Weise besorgt.
Trotzdem kennen wir in der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit Journalisten aus dem Grenzgebiet, die beklagen, dass ihre Redaktionen weder das Geld noch das Verständnis haben, bewusst und gezielt bilateral zu arbeiten. Journalisten müssen dann auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln, wenn Kontakte gepflegt werden sollen und weitergeführt werden sollen, die in den neunziger Jahren geknüpft wurden. Wie wichtig eine faire, eine kenntnisreiche, eine sachliche Berichterstattung ist, erleben wir gerade im deutsch-polnischen Grenzraum immer wieder. Einen Grenzraum, der auch Probleme kennt, in dem auf deutscher Seite die Abwanderung erhebliche Herausforderung schafft, radikale Partien und Gruppierungen Erfolge verzeichnen, bei allen Erfolgen auch Frustrationen und Kriminalität zunehmen - auch Kriminalität, deren Ursache oft auf der anderen Seite der Grenze vermutet wird.
Natürlich gibt es Erfolge. In Mecklenburg-Vorpommern wohnen immer mehr Stettiner, renovieren Häuser und bezahlen Steuern. Wie selbstverständlich wächst hier eine neue Grenzbevölkerung heran, für die Zweisprachigkeit und der angstfreie Blick über die Grenze eine Selbstverständlichkeit sind – ein gutes neues Stück europäischen Alltags.
Hier lernen die Kommunen miteinander umzugehen, miteinander zu arbeiten, zu investieren und Probleme zu lösen. Hier spielt sich im Regionalen ab, was auch überregional gelingen muss, nämlich die Zusammenarbeit von Nachbarn.
Den Veranstaltern und Teilnehmern der Medientage mit dem Journalistenpreis ist genau dies ein Anliegen: die Zusammenarbeit von Nachbarn zu fordern. Deshalb sind wir hier und deshalb bedanke ich mich dafür, dass Sie gekommen sind.
Bedanken darf ich mich schon jetzt auch bei Frau Barbara Owsiak von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Sie ist von Anfang an und damit heute zum 5. Mal dabei und sorgt dafür, dass Sie, dass wir alle in diesen zwei Tagen intensiver Begegnungen zu Fragen des Euro – sowohl im fußballerischen, als auch im finanzpolitischen Sinne – erfüllt und mit neuen Eindrücken nach Hause fahren.
Und mit dem Sport zu enden: Polen hat sich auf die Fußball-Europameisterschaft gut vorbereitet, und mit vielen anderen Fußballfans freue ich mich schon auf die Spiele in Polen. Zum Glück hat mich ein Freund in Posen eingeladen, mit ihm und seiner Familie gemeinsam ins Stadion zu gehen. Und mit vielen anderen bin ich auf das Ergebnis dieser Fußball-Europameisterschaft gespannt. Der polnische Außenminister hat in einem Interview neulich gesagt, falls es zu einer Finale zwischen Deutschland und Polen komme (und daran sollten wir hier jedenfalls nicht zweifeln), dann gewönnen auf jeden Fall die Polen. In einer der beiden Mannschaften. In diesem Sinne dürfen wir uns auf die Gemeinsamkeiten der Europameisterschaften freuen, aber vor allem auf die Gemeinsamkeiten bei den Medientagen.
Herzlichen Dank.