Staatsministerin Özoğuz: Die Grenzen bleiben offen - von Arkadiusz Lorenc

„Ein solches Szenario ist unvorstellbar“, sagte Staatsministerin Özoğuz. Dabei wies sie auf tausende Polen hin, die nach Deutschland zur Arbeit fahren oder hier leben. „Meine Nachbarn sind Polen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Grenze zwischen Polen und Deutschland geschlossen sein könnte. Darüber wollen wir gar nicht nachdenken“, sagte die deutsche Staatsministerin.

Özoğuz bezog sich mit dieser Aussage auf die Worte von Justyna Segeš Frelak, der Leiterin des Programms für Migrationspolitik am Institut für Öffentliche Angelegenheiten, die Betrachtungen darüber anstellte, was mit den 12 000 Flüchtlingen hätte passieren können, die im Jahr 2015 im Transit durch Polen nach Deutschland gefahren waren. Die Vertreterin des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten hatte über die Politik der polnischen Regierung gesprochen und die Frage gestellt: Würden Maßnahmen wie die Grenze zu schließen und Polen dazu zu zwingen, mit der Einwanderungskrise zurechtzukommen, etwas im Denken polnischer Politiker zum Thema Flüchtlinge ändern?

Während der Diskussion wurde mehrmals gesagt, dass im Falle Polens das Flüchtlingsproblem weiterhin nur eine theoretische Problematik bleibt, weil die Polen Flüchtlingen nicht persönlich begegnen, und die Situation, in der sich Flüchtlinge aus Kriegsgebieten befinden, nicht verstehen. „Eine Umfrage zeigt, dass lediglich 20 Prozent der Bürger unseres Landes innerhalb des vergangenen Jahres mit einem Ausländer in Kontakt gekommen sind. Die Polen wissen nicht, mit wem sie es zu tun haben“, so Segeš Frelak. Auf andere Ursachen für die Ablehnung von Fremden wies die Journalistin Kaja Puto hin, indem sie auf die Frage der historischen und antisemitischen Haltungen der Polen gegenüber Juden, unter anderem während der deutschen Besatzung, einging.

Entgegen allem Anschein zeigte sich, dass Xenophobie auch dem multikulturellen Deutschland nicht fremd ist. In Sachsen, wo deutlich weniger Vertreter anderer Nationen leben als beispielsweise in der Hauptstadt Berlin, kommt es ebenso häufig zu Vorfällen, die auf Fremdenhass zurückzuführen sind. Trotz der Unterschiede in der Herangehensweise an die Frage der Integration von Flüchtlingen, die sich zwischen Polen und Deutschland abzeichnen, lassen sich auch übereinstimmende Ansichten finden.

Der Botschafter der Republik Polen in Berlin, Jerzy Margański, sprach davon, dass die Diskussion zum Thema Flüchtlinge und dazu, auf welche Weise Europa die derzeitige Einwanderungskrise bewältigen wird, nicht auf eine Konfrontation zwischen Polen und Deutschland reduziert werden dürfe. „Von den über 160 000 Flüchtlingen, die in vielen europäischen Ländern untergebracht werden sollten, sind in Polen lediglich 1000 aufgenommen worden.“ Das Problem in Europa sei aber weitreichender. „Wir brauchen eine europäische Regelung, und nicht nur eine deutsche“, sagte Staatsministerin Özoğuz und berief sich auf die Solidarität im Rahmen der Europäischen Union.

Die Diskussionsteilnehmer waren sich darüber einig, dass es sowohl in Polen als auch in Deutschland notwendig ist, für die Flüchtlingsaufnahme und den Ablauf des Integrationsprozesses Prozeduren zu schaffen. „Die polnische Regierung war schon immer der Meinung, es habe keinen Sinn, sich umfassend mit der Einwanderungspolitik zu beschäftigen, weil die Einwanderer nicht in unserem Land bleiben, sondern nach Deutschland und Schweden wollen“, so Segeš Frelak. „Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass gerade das Fehlen entsprechender Prozeduren und Möglichkeiten für ein würdiges Leben in Polen dazu führen, dass die Flüchtlinge hier nicht bleiben wollen“, gibt die Vertreterin des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten zu bedenken.

Die Deutschen gingen vollkommen anders an die Einwanderungspolitik heran. Staatsministerin Özoğuz sagte, dass derzeit die Ausarbeitung eines Einwanderungsgesetzes Priorität habe, das es erlaube, möglichst schnell zu beurteilen, ob ein Flüchtling in Deutschland bleiben oder zurückgeschickt werden soll. „Das Fehlen solcher Prozedere führt dazu, dass manche Fälle sich Jahre hinziehen und dann zehn Jahre nach der Einreise mit der Anordnung enden, das Land zu verlassen. Das ist unmenschlich“, so Özoğuz.