Der preisgekrönte Text erzählt von der Arbeit bei einem der größeren deutschen Spargelunternehmen. Im Schatten der sich rasant entwickelnden Corona-Pandemie in Deutschland strömen (vor allem) junge Rumänen und Polen auf die Felder, ermutigt durch den guten Euro-Kurs. Grajewski beschloss, einer von ihnen zu werden und verbrachte eine Woche mit dem Waschen, Stechen und Verpacken des „Königs der Gemüse“.

Der Text „Die wahren Kosten des Spargels“ zeigt, wie das System der Ausbeutung auf deutschen Plantagen funktioniert, und, geschickt getarnt, in der geordneten und gesetzestreuen Welt der deutschen Landwirtschaft fast unsichtbar scheint. Einerseits werden die Saisonarbeiter auf Verträge eingestellt, die ihnen Lohn und Unterkunft garantieren, andererseits werden sie zu unmenschlicher Arbeit gezwungen – nicht mit der Peitsche, sondern ohne sich die Hände schmutzig zu machen nach dem Prinzip: so viel wie du arbeitest, verdienst du auch.

Unter den für den Preis in der Kategorie Print nominierten Arbeiten befindet sich auch ein Text von Łukasz Dąbrowiecki über den Wohnungsbau: „Die Berliner wollen Wohnungsgenossenschaften aus einer Viertelmillion Wohnungen enteignen. Ein Volksentscheid darüber findet bereits am 26. September statt“. Der Kampf der Bürgerinnen und Bürger Berlins gegen die großen Wohnungsbaugesellschaften, die mehr als 3.000 Wohnräume oder 245.000 Wohnungen in der Stadt in ihren großen Händen halten. Die Berlinerinnen und Berliner haben jeden Tag mit enormen Margen und dem Ignorieren von Mieterbeschwerden zu kämpfen. Jetzt haben sie aber „Schluss!“ gesagt und sind gegen die großen Konzerne in den Krieg gezogen.

Östlich von Berlin liegt Frankfurt an der Oder, dessen Geschichte von Marion Kaufmann in der nominierten Reportage „Auferstehung Ost“ erzählt wird. Was ist mit der östlichen Stadt an der deutsch-polnischen Grenze namens Frankfurt (Oder) geschehen? Eigentlich nicht viel. Die Abwanderung der Bevölkerung, der Konkurs einer großen Fabrik, nicht der erste um ehrlich zu sein. Kaufmann erzählt die Geschichte von Frankfurts Niedergang, aber auch von den Chancen dieser Stadt im Osten, ein echtes europäisches Kultur- und Wissenschaftszentrum mit vielen Arbeitsplätzen zu werden. Denn es bleibt noch ein Funken Hoffnung auf ein besseres Morgen.

Ein weiterer nominierter Beitrag ist die Reportage „Die Hölle von Białowieża“ von Olivia Kortas und Katarzyna Strek. Sie erzählt die Geschichten von Migranten, die ihr Leben für die Zukunft ihrer Familien riskieren. Die Haupthelden der Reportage sind jedoch Menschen, die Flüchtlingen an der polnisch-belarussischen Grenze helfen. Sie finden sie oft ausgekühlt mit dehydrierten Kindern in den Armen. Es mag wie eine Sisyphusarbeit erscheinen, denn die Familien, denen sie helfen, werden in der Regel von polnischen Grenzschützern oder der Polizei gefangen und hinter den Stacheldraht zurückgeschickt.

Die Helden von Heinrich Wefings und Adam Tuchlińskis Reportage „Die Toten von Danzig“ sind keine gewöhnlichen Archäologen, die nach antiken Vasen oder Werkzeugen suchen. Sie sind auf der Suche nach gefallenen Soldaten. Damit sie begraben werden können, um – falls möglich – nicht mehr namenlos zu sein. Eine Gruppe vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge führt archäologische Arbeiten auf einem Feld 200 Meter vom Flughafen Danzig entfernt durch. Dort befindet sich ein Massengrab aus einer Panzerschlacht des Zweiten Weltkriegs. Deutsche, Polen, Rotarmisten und eine geheimnisvolle Puppe sind hier begraben. Es gibt noch viel zu tun.

Die Reportage „Neunhundert polnische Seelen warten auf die Heimkehr aus Deutschland“ von Michał Gostkiewicz erzählt wiederum die Geschichten von einzelnen Personen. Im Arolsen Archiv in Hessen werden Tausende von persönlichen Gegenständen derjenigen aufbewahrt, die von der NS-Terrormaschine in Konzentrationslager verschleppt wurden. Uhren, Briefe oder Gedichte erzählen die außergewöhnlichen Geschichten der einzelnen Gefangenen. Michał Gostkiewicz berichtete über die Arbeit einer großen Zahl von Mitarbeiterinnen und Freiwilligen, die Erinnerungsstücke polnischer KZ-Häftlinge von unschätzbarem Wert finden. Auch hier bleibt noch viel zu tun.

Die diesjährige Ausgabe des Deutsch-Polnischen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreises in der Kategorie Print war voll von Texten über Leid: das Leid von vor Jahrzehnten und das Leid der Menschen, die heute an der polnisch-belarussischen Grenze sterben.

Alle Beiträge ohne Ausnahme regten zum Nachdenken über die Grausamkeit an, die Europa nicht verlassen hat und darüber hinaus neue Formen annimmt. Eine dieser Formen ist der Krieg in der Ukraine. Die Autoren der nominierten Beiträge erinnerten uns daran, dass Extremismus, Völkermord und Ausbeutung immer noch aktuelle Probleme der Europäer sind.

– Piotr Jurczyński