„Ist unsere Wachsamkeit durch die Delphine, die in Venedigs Kanälen aufgetaucht sind, eingelullt worden?“ - so begann die Debatte Joanna Czudec, Kulturmanagerin, Übersetzerin deutscher Literatur und Programmmanagerin bei der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Laut Joanna Maria Stolarek, einer deutschen Journalistin und Kolumnistin, Direktorin des Warschauer Büros der Heinrich-Böll-Stiftung, ist das Klimathema sowohl in den deutschen als auch in den polnischen Medien verschwunden. Stolarek betonte jedoch, dass das Problem der Pandemie schnell mit der Klimakrise, also dem Raubbau des Menschen an der Natur, verknüpft wurde. „Die Journalisten haben erkannt, dass die Themen Ökologie und Klima uns alle betreffen“, bewertete sie. Claus Christian Malzahn, Reporter, Ostdeutschland-Korrespondent der WELT-Gruppe, fügte hinzu, dass man gerade jetzt, wo die Pandemie langsam abebbt, wieder über die Umwelt nachdenkt, die bereits 2019 ein wichtiges Thema in den deutschen Medien war. „Wir wollen eine Rückkehr zur Normalität, aber gleichzeitig fragen wir uns, was ist Normalität eigentlich?“ - fragte sich der Journalist.

 

Eine andere Perspektive auf die Pandemie im Kontext der Umwelt vertrat Professor Ewa Łaźniewska vom Institut für Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Poznań, Mitautorin einer Studie über die ökologische Transformation von Gemeinden im deutsch-polnischen Grenzgebiet. „Die zerstörerischen Kräfte der Pandemie können auch zu etwas Gutem führen, etwa zur Beschleunigung der Digitalisierung.“ - betonte sie. Ihrer Meinung nach sollte diese Chance genutzt werden, um zum Beispiel eine virtuelle grenzüberschreitende Universität zu schaffen, die zukünftige Spezialisten für den Klimawandel ausbildet. Sie könnten dann Gemeinden und Einwohner in Fragen der grünen Verwaltung beraten. Laut Ewa Łaźniewska ist die Nutzung sozialer Medien auch eine der Möglichkeiten für eine effektivere Bildung in Bezug auf Ökologie im weitesten Sinne.

In Deutschland ist dieses Jahr die Zeit wichtiger Veränderungen in der Politik - im Herbst folgen die Wahlen zum Bundestag. Nach aktuellen Umfragen liegen die Grünen vorne. Joanna Czudec fragte, was dies für Umweltfragen und für die deutsch-polnische Zusammenarbeit bedeutet.

Joanna Maria Stolarek und Claus Christian Malzahn waren sich einig, dass es nicht nur der Marsch der Grünen an die Macht ist, denn die Partei regiert derzeit in 11 Bundesländern. Claus Christian Marzahn wies darauf hin, dass die Grünen nicht so erfolgreich gewesen wären, wenn sie nur über das Klima reden würden. Er bemerkte: „Sie ist eine Partei, die sich zu allen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens äußert“. Nach Joanna Maria Stolarek sind die Grünen die Profiteure der Veränderungen, die in den letzten Jahren in der deutschen Gesellschaft stattgefunden haben. Unsere Realität hat sich so sehr verändert, dass uns die alten Strukturen nicht mehr ausreichen. Sie passen nicht in diese „neue“ Ordnung, denn es ist Zeit für eine neue Politik und eine neue Generation von deutschen Politikern. Claus Christian Malzahn wies auf eine interessante Neuigkeit hin, und zwar dass mit Annalena Baerbock eine Politikerin ohne viel Erfahrung Kanzlerkandidatin der Grünen wurde. Unter anderem spricht sie sich für eine Erhöhung der Verschuldung aus, um neue Projekte wie klimafreundliche Infrastruktur oder den Ausbau von Schienennetzen und Elektrofahrzeugen zu finanzieren. Baerbock will auch einen schnelleren Ausstieg aus der Kohle (bis 2030, statt 2038).

 

Werden ihre progressiven Postulate die Beziehungen Deutschlands zu Polen beeinflussen? Für den Fall, dass die Grünen gewinnen, wies Joanna Maria Stolarek darauf hin, dass es sowohl strittige als auch gemeinsame Themen für unsere Länder gibt - zum Beispiel die Ostpolitik und die Haltung gegenüber Russland. Die Herausforderungen können jedoch in der Energiepolitik (die polnische Regierung will in die Nutzung der Kernenergie einsteigen, die Grünen wollen diese Quelle aufgeben), der Rechtsstaatlichkeit und den Menschenrechten liegen. Die Expertin bleibt jedoch optimistisch, wenn es um die Beziehungen zwischen den Gesellschaften beider Länder geht. „Wenn es um die Regierungsebene geht, wird es in vielen Fällen schwierig sein, aber wenn es um die Zivilgesellschaft geht - hier haben wir immer mehr Beispiele für die Zusammenarbeit.“ Und diese Zusammenarbeit, so Professorin Ewa Łaźniewska, ist besonders wichtig. „Die lokale Ebene schlägt sich in der globalen Ebene nieder“, schloss sie. Kleine Einheiten, wie z.B. Gemeinden, sind entscheidend für die Lösung von Umweltproblemen. Deshalb sind Bildung, die Nutzung der Digitalisierung, das Wirken auf beiden Seiten der Grenze und die sogenannte Inklusion, verstanden als Einbeziehung der Bewohner in Aktivitäten zum Wohle der Umwelt, so bedeutsam.

 

In der Debatte wurde die Aufmerksamkeit auf sehr wichtige Themen gelenkt, die in den letzten Monaten die öffentliche Diskussion dominiert haben. Das Treffen bot die Möglichkeit, interessante Ansichten und Schlussfolgerungen zu Fragen der deutsch-polnischen Zusammenarbeit auszutauschen. „Die Aufgaben der Politik sind klar umrissen. Die Frage ist, wie man sie jetzt löst und in die Praxis umsetzt“ - meinte Claus Christian Malzahn abschließend.


Kinga Wysocka, Magdalena Bortel