Die originellen Logos der Deutsch-Polnischen Medientage sind wahre Kunstwerke, richtige Scherenschnitte. Sie sind umso beeindruckender, als ihre Elemente in mehreren Ebenen aufeinandergeklebt sind. Echte handgemachte 3D-Grafiken.

Dorota Katner spricht mit dem Illustrator und Grafiker Mirosław Gryń

Dorota Katner: Ich dachte, dass Grafiker heutzutage ihre Grafiken am Computer erstellen, deshalb hat es mich sehr beeindruckt, als ich Ihr per Hand collagiertes Logo für die Medientage gesehen habe. Ein Werk, das so hergestellt wurde, hat eine Seele. Noch mehr überrascht haben Sie mich, als Sie während eines Besuches bei uns in der Stiftung gefragt haben, ob Sie ein altes Plakat mitnehmen können, in dessen intensiven Farben Sie das perfekte Material für Scherenschnitte gesehen haben. Warum arbeiten Sie – verzeihen Sie mir die Formulierung – mit so anachronistisch wirkenden Methoden?


Mirosław Gryń: Als ich auf die Hochschule ging, hat man uns noch nicht all diese Programme beigebracht, mit denen Grafiker heute arbeiten. Erst im fünften Studienjahr gab es einen Computerraum. Später hatte ich nie Zeit, das alles nachzuholen. Das ist natürlich ein Scherz, denn in Wirklichkeit zeichne ich lieber traditionell auf Papier als auf einen seelenlosem Bildschirm.

DK: Heißt das, dass jüngere Kollegen so ein Logo für die Medientage, das Sie erst aufzeichnen, ausschneiden und collagieren, am Computer gemacht hätten?


MG: Mit Sicherheit.


DK: Und was ist das Ergebnis dieser Arbeit? Erkennt ein Laie den Unterschied zwischen einem Werk, das ausgeschnitten und mit der Hand collagiert wurde, und einem, das mithilfe eines Grafikprogrammes erstellt wurde?

MG: Nein. Sie sind identisch. Mehr noch, denn am Computer kann man nicht nur all die Effekte erzielen, die man auch mit der Hand herstellen kann, sondern er gestattet außerdem, noch bessere Ergebnisse zu erzielen, als ein Grafiker mit der Hand zeichnen, ausschneiden oder collagieren kann.

DK: Vielleicht ist der Effekt besser, aber das Original hat nicht diese Romantik, die ihre Collage hat.

MG: Ja, aber ich muss ehrlich zugeben, dass meine Handarbeit am Ende auch am Computer bearbeitet wurde. Man kann auf diese Weise eine Menge Dinge ausmerzen und verbessern.


DK: Das heißt, dass Ihre Collage gescannt und der Scan bearbeitet ist?


MG: Genau so ist es.

DK: Ich weiß noch, dass wir im Kindergarten beim Basteln oft zu viel Kleber benutzt haben, und das ganze dann schmutzig geworden ist, dass man manchmal etwas schief zusammengeklebt hat … Müssen Sie oft von vorn anfangen, weil Ihnen etwas misslingt?


MG: Ich bemühe mich natürlich, solche Situationen zu vermeiden – vor allem wenn ich an den Logos für die Medientage arbeite, dessen Original ich Euch jedes Jahr zusende. Diese Originale sind für mich besonders wertvoll, weil sie nicht nur virtuell als Datei existieren, sondern auch als materielles, physisches Bild, das man zum Beispiel einrahmen und aufhängen kann.


DK: … und diese Originale haben tatsächlich ein Eigenleben. Seit dem vergangenen Jahr bekommt sie der Veranstalter der Medientage in dem jeweiligen Jahr. In diesem Jahr ist das Schwerin. Aber zurück zu den Missgeschicken. Nehmen wir einmal an, Sie haben zu viel Kleber benutzt.


MG: Wenn etwas schmutzig wird, dann ist das eine Aufgabe für das Computerprogramm. Säubern, ausbessern, retuschieren kann man buchstäblich alles. Der Computer berichtigt die Fehler des Menschen.


DK: Wir können Sie getrost den „Vater“ der Logos für die Deutsch-Polnischen Medientage nennen. Sie sind Autor der Motive aller vier Ausgaben der Deutsch-Polnischen Medientage.


MG: Na ja, aber ein Kind braucht Vater und Mutter. Diese Logos sind unser gemeinsames Werk. Sie geben mir die Botschaft vor, den Inhalt, den ich dann versuche, aufs Papier zu bringen. Ihr seid auch die ersten strengen Rezensenten. Ich muss gestehen, dass die Arbeit an den Logos der Medientage für mich als Grafiker eine interessante Herausforderung ist. Einerseits soll ich konkrete Inhalte darstellen, die verständlich sein sollen, andererseits muss ich den von vornherein vorgegebenen – Nomen est omen – Rahmen berücksichtigen. Denn das, was ich zeigen will, muss auf dem Bildschirm auf einen hellblauen Hintergrund, das ist das Leitmotiv der Medientage und die Anforderung des Veranstalters.


DK: Und das Ganze muss sowohl für polnische als auch für deutsche Journalisten verständlich sein.


MG: Genau, diesen Aspekt muss ich auch noch berücksichtigen.


DK: Welches Logo hat Ihnen die meisten schlaflosen Nächte bereitet?


MG: Ich glaube, das mit der Berliner Mauer. Ich habe mich ein bisschen schwer getan mit dem Loch in der Mauer, das gleichzeitig mit dem Runden Tisch von 1989 in Verbindung gebracht werden sollte.


DK: Ich habe gehört, dass Sie während Ihrer Arbeit an diesem Logo mit unglaublicher Akribie die Oberflächenstruktur der Berliner Mauer studiert haben.


MG: So war es (lacht), ich habe die Mauer im Internet mit der größtmöglichen Vergrößerung studiert. Ich kenne alle ihre Schichten. Trotz verschiedener Schwierigkeiten und mühseliger Arbeit bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden, weil ich mich als Illustrator beweisen konnte, der ich tatsächlich bin.


DK: Genau, Sie sind vor allem Illustrator bei dem Wochenmagazin „Polityka“. Ihre Zeichnungen kommentieren regelmäßig zumeist politische Artikel. Ist es mal vorkommen, dass Ihre Zeichnung abgelehnt wurde, oder Sie um Korrektur gebeten wurden?


MG: Ein paar Mal hat man mich um „Vereinfachung“ gebeten, weil die Symbolik allzu verworren war. Einige Male musste ich auch die allzu heftige Botschaft „abschwächen“.


DK: Man kann Ihre Zeichnungen wohl kaum als lustig bezeichnen, dennoch muss man lachen, wenn man sie sieht.


MG: Mein Freund und der meiner Meinung nach beste satirische Zeichner Marek Raczkowski hat einmal gesagt, dass meine Zeichnungen auf andere Art witzig sind.


DK: Das verstehe ich sehr gut. Gleichzeitig gefällt mir, dass Sie dem Leser keine fertige Lösung vorlegen, Sie laden mit Ihrer Zeichnung eher zum Dialog ein. Wenn ich Ihre Zeichnungen sehe, muss ich weiter nachdenken. Diese Zeichnungen sind vielschichtig.


MG: Da haben Sie eine sehr wichtige Sache angesprochen. Für mich ist eine Zeichnung dann interessant, wenn sie nicht nur eine Lesart hat, sprich nicht nur konkrete Illustration zu einem konkreten Text ist. Eine Zeichnung soll natürlich eine Antwort auf das jeweilige Thema sein, aber sie sollte auch ein Eigenleben haben, etwas zu sagen haben ohne den Kontext des Ursprungsthemas. Die Botschaft muss universell sein.


DK: Ja, so wie Ihre Stimme zum Thema deutsch-polnische Beziehungen. Sie haben eine Grenzbrücke über die Oder in Gestalt eines Händedruckes – einer polnischen und einer deutschen Hand –, und einen über diese Brücke rasenden Zug gezeichnet. Und man möchte meinen, dass es gut ist, dass diese Hände sich drücken, dass der Zug fährt, aber man kann diesen Zustand auch als labil bezeichnen, schließlich kann ein Händedruck jeden Moment gelöst werden.


MG: Genau, ich gebe dem Rezipienten die Gelegenheit, die Botschaft zu ergänzen.


DK: Dann bleibt abzuwarten, welche „Botschaft“ man für das Logo der 5. Deutsch-Polnischen Medientage, die in diesem Jahr in Schwerin stattfinden, ergänzen kann. Ich lade herzlich ein nach Mecklenburg-Vorpommern und danke Ihnen für das Gespräch.


Das Gespräch führte Dorota Katner.




Mirosław Gryń wurde in Białystok geboren. Von 1985 bis 1991 studierte er an der Fakultät für Grafik an der Akademie der Schönen Künste in Warschau. Er machte sein Diplom im Plakat-Atelier von Professor Julian Pałka.
Mirosław Gryń befasst sich in erster Linie mit Presseillustrationen. In der Vergangenheit hat er für folgende Medien gearbeitet:  Życie Warszawy, Prawo i Gospodarka, Reader's Digest, Media Polska, Wprost, ResPublica Nowa.
Derzeit zeichnet er für Polityka, für Świat Nauki und das Deutsch-Polnische Magazin Dialog.