Was geht im deutsch-polnischen Grenzraum vor sich? Ist er noch immer eine Fundgrube an Ideen für journalistische Projekte? Wollen die Menschen überhaupt wissen, was an den Grenzen los ist? Auf diese und viele andere Fragen versuchten die Teilnehmer des Workshops im Rahmen der Deutsch-Polnischen Medientage eine Antwort zu finden.

Der Workshop wurde geleitet von Kinga Wołoszyn-Świerk, einer Journalistin des Polnischen Staatlichen Fernsehens, die seit vielen Jahren in Berlin-Brandenburg die Sendung Kowalski trifft Schmidt mitgestaltet. Diese Sendung wird seit bereits achtzehn Jahren alle zwei Wochen sowohl im polnischen als auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Es handelt sich dabei um eine Gesellschafts- und Kulturmagazin im Rahmen der grenzübergreifenden Zusammenarbeit zwischen TVP Wrocław und dem rbb. Krzysztof Czajka, einer der Redakteure der Sendung: „Wir sind eine deutsch-polnische Redaktion. Diese Zusammenarbeit ist sehr wertvoll. Wir haben verschiedene Sichtweisen. Unsere Themen entstehen aus der Diskussion heraus.“ Kowalski trifft Schmidt wurde mit zahlreichen prestigeträchtigen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutsch-Polnischen Journalistenpreis, dem Grand Prix Circom Regional und dem Dialog-Preis.

Im Rahmen des Workshops wurde eine Folge der Sendung gezeigt, anhand derer die Diskussion der Teilnehmer geführt wurde: „Ein Pole eröffnet in Deutschland ein Restaurant, in dem er sieben Deutsche beschäftigt.“ Die Aussage einer dortigen Bewohnerin: „Ausländer sollten nicht das Recht haben, in Deutschland Immobilien zu kaufen.“ Obwohl kein Deutscher am Kauf dieses Restaurants interessiert war, meint eine Abgeordnete, dass man hätte auf einen deutschen Käufer warten sollen … „Der deutsche Staat ist eine ausschließlich deutsche Gemeinschaft, die durch den Zufluss aus dem Ausland zerstört wird!“ Solche feindseligen Einstellungen tragen nicht zu guten deutsch-polnischen Beziehungen bei.

Und was sagen die Teilnehmer dazu?

Jarosław Zawadzki, Vorsitzender des Vereins Polonica, ist der Meinung, es sei ein Skandal , dass das Magazin Kowalski trifft Schmidt nur alle zwei Wochen ausgestrahlt wird. „Wir müssen um Sendezeit kämpfen! Solche Sendungen fehlen uns im polnischen Fernsehen definitiv.“ Hindernis bei der Erstellung solcher Filme seien – so die Moderatorin des Workshops – finanzielle Schwierigkeiten, die solche Projekte sehr beschneiden: „Wir machen hier Spagate, denken uns verschiedenste Dinge aus, holen EU-Gelder ran … Die Journalisten haben doppelte Arbeit: Sie machen eine gute Sendung und zusätzlich sammeln sie die notwendigen Gelder zur Erstellung dieser Sendung ein. Das sollte nicht unsere Aufgabe sein.“

An dieser Stelle ergriff Andrzej Kotula das Wort, der einstige Oppositionelle aus Stettin, Journalist und Korrespondent für Radio Free Europe. Er sagte, es werde nicht darüber gesprochen, welch ein großes Problem polnische Kriminelle in den deutschen Grenzgebieten seien. Die polnische Öffentlichkeit mache sich kein Bild von der Größenordnung dieses Problems. „Wir leben in einer Illusion“, so Kotula, „und das vor allem wegen der Journalisten, die diese Dinge nicht ansprechen. Der Diebstahl von Dächern, Landwirtschaftsmaschinen und Tieren seien nur ein Bruchteil der von Polen begangenen Verbrechen. „Die Bundespolizei sei mit Polens Betritt zur Schengenzone auf ein Minimum reduziert worden“ – dies sei laut Kotula einer der größten Fehler gewesen, der in dieser Angelegenheit gemacht wurde. Die polnische Kriminalität in deutschen Grenzgebieten sei kein Mythos, was die Beziehungen zum Nachbarn wesentlich komplizierter mache. Die Polen seien sich nicht darüber im Klaren, dass zu selten und zu wenige Journalisten aus Polen über dieses Thema schreiben. Man müsse hingegen aktuell über das berichten, was dort vor sich gehe und hier dränge sich folgende Frage auf: Wann nehmen sich die polnischen Medien dieses Themas entsprechend der Größenordnung dieses Problems an?

„Wir interessieren uns nicht für das Grenzgebiet, solange da nicht wirklich was passiert“, warf Krzysztof Czajka ein. Er führte eine Geschichte an, die seiner Meinung nach die Vorurteile der Deutschen gegenüber den Polen verbildlicht: „Im Norden von Berlin gibt es einen Gutshof – eine Spargelplantage – wo Polen sehr hart arbeiten. Die Deutschen wollen dort nicht arbeiten, weil die Arbeit ihnen zu hart und zu schlecht bezahlt ist. Als eines der dortigen deutschen Häuser bestohlen wurde, fiel der Verdacht sofort auf die Polen, obwohl sie, wie sich herausstellte, unschuldig waren.“ Ende der Neunziger Jahre hatte es eine ähnliche Geschichte gegeben: „Es wurde in ein Haus eingebrochen und die Polizei, die einem Auto mit polnischem Kennzeichen begegnete, hielt die Fahrer nur deshalb fest, weil sie Polen waren. Es stellte sich heraus, dass sie in der nahegelegenen Firma arbeiteten, die Fenster einbaute, und dass sie mit dem Einbruch nichts zu tun hatten. In beiden Fällen lief es darauf hinaus, dass es der deutschen Polizei einfach … sehr leid tat.“ Solche Verhaltensweisen würden den Stereotyp des Polen als Dieb aufrechterhalten. Es sei sinnvoll, solche Paradoxe aufzuzeigen. Solche Geschichten aus dem Grenzraum verbildlichen am besten das, was im Übrigen im gesamten zeitgenössischen Europa vor sich geht: man greift auf verletzende Stereotypen und Vorurteile zurück.

Andrzej Kotula hinterfragte sogleich die Repräsentativität der angeführten Vorfälle. Er sprach von spektakulären Fällen, die in den deutschen Medien hochgespielt worden seien, unter anderem der Diebstahl von Leichen in Brandenburg durch Polen, und einer Routinekontrolle an der Grenze, während derer Polen, die mit einem gestohlenen Auto mit deutschen Nummernschildern fuhren, die Uniformierten überwältigten und mit dem Funkwagen entkamen. „Diese Geschichte klingt heute relativ witzig, wie ein Western, aber solche Fälle gibt es viele und ich bin der Meinung, dass dies ein wesentlich repräsentativeres Beispiel ist als die Geschichten von den unberechtigt beschuldigten Polen“, sagte Kotula.

Im Folgenden ging die Diskussion zu rein journalistischen Themen über. Die Versammelten diskutierten die Frage, woran der polnische Journalismus krankt und was es zu tun gilt, damit der genesen kann. Julita Miłosz, die Direktorin der Abteilung für Internationale Zusammenarbeit im Marschallamt der Woiwodschaft Westpommern stellte fest, dass es vor allem an strategischen und globalen Informationen fehle. Die Verbraucher werden nur dann informiert, wenn es zu einem Problem gekommen ist, es fehle hingegen an analytischen Informationsquellen, die einen breiteren Überblick über das, was in den Grenzgebieten vor sich geht, geben. „Aber ob das dann so ausgestrahlt wird, dass wir nicht nachts um zwei Uhr aufstehen müssen, um das sehen zu können?“, fragte jemand im Saal. „Was kann man tun, damit sich solche Themen durchsetzen? Die Entscheidungen der Fernsehsenderchefs darüber, wo welche Sendung platziert wird, sind komplett irrational. Es gibt gute Sendungen wie Kowalski trifft Schmidt, aber die Pflicht des öffentlichen Fernsehens sollte es sein, dass so etwas gesendet wird, ohne dass es zu zahlreichen Schwierigkeiten während der Produktion kommt. Ich denke, dass darin das Problem besteht“, warf eine Teilnehmerin ein.

„In unserer Redaktion“, ergänzte Krzysztof Czajka, „arbeiten viele junge Leute. Sie sprechen mehrere Sprachen, sie planen Auslandspraktika. Sie sind Weltbürger. Das ist eine Generation, die im zeitgenössischen Europa ohne Grenzen lebt, in Offenheit und Dialog.“ Dadurch würden in der Ära des Internets Informationen wie die aus der Grenzregion vielleicht nicht mehr gebraucht, weil die junge Menschen mehrere Sprachen sprechen und sich ihre Informationen von Internetseiten in anderen Sprachen holen, und zwar aus erster Hand. Andererseits sind diese Informationen wichtig, denn die Berichte aus der Grenzregion basierten sich vor allem auf soziale Kontakte, auf der Interaktion ganz normaler Menschen. Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass sich die Qualität der Nachbarschaft auf die Qualität der europäischen Integration auswirkt.

„Das Thema der deutsch-polnischen Grenzregion ist ungewöhnlich weitreichend, deshalb sind mit Sicherheit weitere Diskussionen zu diesem Thema notwendig“, fasste die Moderatorin den Workshop abschließend zusammen.

Maja Antkowiak
Barbara Hortyńska