Wie sieht der Rechtsradikalismus in Polen und wie in Deutschland aus? Sind die gegenseitigen Vorurteile der Polen und Deutschen weiterhin aktuell? Darüber diskutierten polnische und deutsche Journalisten während der 7. Deutsch-Polnischen Medientage in Potsdam.

Zu Beginn haben sich die Teilnehmer darüber Gedanken gemacht, ob sich 10 Jahre nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union etwas verändert hat bezüglich der gegenseitigen Vorurteile von Polen und Deutschen. Existieren die Stereotype des Polens als Krimineller und des arroganten Deutschen weiterhin? Diese Fragen hat Michał Kokot, Journalist der Gazeta Wyborcza zu Beginn des Workshops gestellt. Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass diese Vorurteile in den Grenzregionen in hohem Maße lebendig sind. Die Ursachen dafür liege in der Kriminalität – wie beispielsweise dem Diebstahl von Landwirtschaftsmaschinen und Autos – für die die deutschen Bewohner größtenteils die Polen verantwortlich machen. Gleichzeitig sei es aufgrund der politischen Korrektheit schwierig, diese Probleme in den Medien zu thematisieren. Die Statistiken der Polizei berücksichtigen oft nicht die Nationalitäten der Täter; die deutschen Journalisten vermeiden ebenfalls ihre Erwähnung, damit ihnen keine Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen wird.

Olaf Sundermeyer rief dazu auf, sich nicht vor unbequemen Themen zu fürchten: „Unter Nachbarn muss über Probleme gesprochen werden”, sagte er. Zuvor hatte der Journalist den Deutsch-Polnischen-Journalistenpreis für einen Fernsehbeitrag bekommen, der über Autosiebstahl in den Grenzregionen berichtet. „Wir konzentrieren uns zu sehr auf das Problem Kriminalität“, sagte hingegen Renate Heinze, Journalistin des MDR. „Mir fehlt in den Medien das Gegengewicht in Form positiver Aspekte unseres Nachbarn, wie zumindest touristische Beiträge.“ Die Podiumsteilnehmer sprachen auch darüber, wie der polnische und der deutsche Rechtsradikalismus derzeit aussehen. Olaf Sundermeyer wies darauf hin, dass die Rechtsextremen in Deutschland die größte Befürwortung in den Grenzregionen haben. „Unter ihren Anhängern befinden sich sowohl gebildete Deutsche – Juristen und Beamte – als auch Hooligans.“

Die Rhetorik der deutschen Rechtsextremen verändert sich. „Das ist keine Rechte mehr, die auf den Vorurteilen gegen Polen basiert. Sie bezieht sich eher auf Probleme wie Arbeitslosigkeit und gesellschaftliche Unzufriedenheit. Sie ist nicht antipolnisch, sondern eher antieuropäisch“ sagte Beata Bielecka, Journalistin von Gazeta Lubuska, die über Probleme im Grenzraum schreibt.

Die Rechtsextremen finden ihre Anhänger nicht nur in Deutschland unter jungen Arbeitslosen, sondern auch in Polen. „Die Märsche, die am 11. November veranstaltet werden, haben den Polen die Augen geöffnet und ihnen das Ausmaß des Problems gezeigt“, sagte Katarzyna Błaszczyk von Polskie Radio, die für den diesjährigen Deutsch-Polnischen Journalistenpreis nominiert war.

Beunruhigend sei die wachsende Popularität rechtsextremer Parteien in ganz Europa, wie beispielsweise von Jobbik in Ungarn, der Nationalen Front in Frankreich und der Chrysi Avgi in Griechenland. Die Teilnehmer machten sich darüber Gedanken, wie sie damit umgehen sollen. Sollen sie die Rechtsextremen „bewusst ignorieren“ oder ehrlich über sie schreiben? Das ist eine der Herausforderungen, mit denen sich die polnischen und deutschen Journalisten in den kommenden Jahren konfrontiert sehen werden.

Der Workshop unter dem Titel „Von außen gesehen – Rechtsradikalismus in Polen und Deutschland“ fand am 9. Mai 2014 während der Deutsch-Polnischen Medientage in Potsdam statt. Teilgenommen haben deutsche und polnische Journalisten und Mitarbeiter von Kommunalregierungen, moderiert wurde der Workshop von Michał Kokot von der Gazeta Wyborcza und von Uwe Walter vom MDR.


Agnieszka Kaniewska