Russland war das einzige Land, das auf die Berichterstattung über die Ereignisse in der Ukraine vorbereitet war. Die deutschen und polnischen Medien hingegen wurden von der neuen Situation überrascht. Die Diskussion „Revolution in der Ukraine in polnischer und deutscher Berichterstattung“ wurde von Cornelius Ochmann geleitet, dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Der Workshop war eine der intensivsten Veranstaltungen während der Medientage in Potsdam.

Journalisten, die gleichzeitig Experten für die Politik beider Länder sind, debattierten über die Darstellung der ukrainischen Revolution in den Medien. „In den polnischen Medien ist diese Darstellung eindeutig. Lese ich aber russische Experten, so fällt mir auf, dass diese stärker gegen den Kreml schreiben“, sagte Maria Przełomiec, Leiterin und Koautorin der Sendung Studio Wschód [Studio Ost] auf TVP. Sie wies auf die entschlossene Haltung der Medien in Bezug auf Putins Politik hin, und auf die Dringlichkeit, sein Vorgehen aufzuhalten und weitere Sanktionen zu verhängen. Man solle es auch mit Diplomatie versuchen, doch im Falle von Russland könnte sich dieses Mittel als unzureichend herausstellen. Zofia Bąbczyńska-Jelonek, eine Stimme aus dem Publikum, ist als Journalistin für den Sender Russia Today tätig. Sie warf den polnischen Medien zu viel Emotionalität und fehlenden Abstand vor. Sie führte ein journalistisches Beispiel aus der Nachrichtensendung Wiadomości auf TVP an, in der die aktuellen Ereignisse auf dem Majdan nicht objektiv dargestellt worden waren. Bartosz T. Wieliński von der Gazeta Wyborcza hingegen kritisierte vehement die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Die Strategie der kleinen Schritte wird als Ausdruck von Schwäche wahrgenommen.”

Gerhard Gnauck (Die Welt) wies auf eine Veränderung hin, die sich in der deutschen medialen Vermittlung vollzogen habe. Bevor in Kiew bewaffnete Einsätze der Ukrainer stattfanden, wurden sie als Menschen dargestellt, die zur Verteidigung ihrer Freiheit „in der Kälte stehen“. Als sie zu kämpfen begannen, kam es zu einer Wende in der öffentlichen Meinung und seit diesem Moment sind sie zu Menschen geworden, die den Frieden in Europa gefährden. „Die Deutschen haben vergessen, was es bedeutet, für die Freiheit zu kämpfen“, so Gnauck. Er sprach davon, dass Russland als Kraft wahrgenommen werde, die Ordnung schaffen würde, er sprach von der Angst um den Frieden und vor faschistischen Bewegungen. Für viele Deutsche sei Russland ein Gesprächspartner, doch die dynamische Situation in diesem Land führe dazu, dass die Bestrebungen der Neofaschisten zu einer immer größeren Gefahr für ganz Europa werden.

Sowohl von polnischer als auch von deutscher Seite wurde darauf hingewiesen, dass es an Korrespondenten an den Orten der Geschehnisse fehle. Die Vernachlässigung der Sache der östlichen Länder durch die westlichen Medien war ein wichtiger Punkt in der Diskussion. Bartosz T. Wieliński sprach davon, dass zwar Journalistin nach Kiew geschickt worden waren, diese aber keine festen Bewohner der Ukraine sind, was dazu führt, dass sie das Problem nicht in seiner Gänze erfassen.

Desweiteren wurde über die prorussische Propaganda in den westlichen Medien angesprochen. Juri Durkot, ein freier Journalist aus der Ukraine, führte als Beispiel für gefälschte Berichte in Internetportalen eine schockierende Geschichte an. Demnach soll in Lviv ein Russe ermordet worden sein, indem man ihm den Kopf abgeschnitten hatte, mit dem dann angeblich Fußball gespielt wurde. Eine Studie im Wallstreet Journal spiegelt die europäischen Stimmungen: Aus ihr geht hervor, dass unter den EU-Mitgliedern das einzige Land, das sich den Sanktionen gegen Russland widersetzt, Ungarn ist.

Als großes Problem erwies sich auch die Frage der Zensur und des begrenzten Zugangs zu Informationen über Russland. Dort gebe es immer weniger unabhängige Journalisten und es fehlt ihnen an Quellen für objektive Informationen. Das Bedürfnis nach einem neuen Medium, wie es einst Radio Free Europe war, werde stärker.


Maja Rup