Die Geschichte des Wochemagazins Polityka, das im Februar 1957 als loyale Regierungszeitung ins Leben gerufen wurde, spiegelt ein Stück polnischer Zeitgeschichte wider.
Beinahe wäre die Geschichte der Polityka nur eine Randnotiz in der Geschichte der Volksrepublik Polen gewesen und der Zeitraum ihres Erscheinens auf wenige Monate im Jahre 1957 beschränkt geblieben. Die Vorgeschichte der Gründung der Zeitung beginnt bereits ein Jahr zuvor, 1956. Der Tod des bisherigen Parteichefs Bierut, die blutigen Arbeiterproteste in Posen und die Ernennung des Hoffnungsträgers Władysław Gomułka zum neuen Generalsekretär der Partei bedeuteten, drei Jahre nach Stalins Tod, das endgültige Ende der stalinistischen Ära in Polen. Hatte Gomułka am Anfang seiner Amtszeit mit seiner Ankündigung tiefgreifender wirtschaftlicher und kultureller Reformen noch das Vertrauen eines Großteils der Polen genossen, wurden die Hoffnungen auf eine Liberalisierung des Landes bald enttäuscht: Der Religionsunterricht wurde wieder abgeschafft und viele 1956 entstandenen liberalen Zeitungen geschlossen. Auch die systemkritische und beliebte Zeitung Po prostu [dt. Ganz einfach] war dann Anfang 1957 von der Schließung betroffen. Doch zunächst glaubte die Partei, eine bessere Idee zu haben und so erschien am 27. Februar 1957 die erste Ausgabe der Wochenzeitung Polityka, zunächst als systemtreues Gegenstück zu Po prostu. Nachdem letztere jedoch im Herbst 1957 doch geschlossen wurde, hätte die Geschichte der Polityka bereits zu Ende sein können.
Doch sie sollte erst richtig beginnen. Anstelle des alten Herausgebers Stefan Żółkiewski übernahm der junge Parteiaktivist Mieczysław Rakowski die Leitung. Die Redaktionsräume befanden sich im elften Stockwerk des Kulturpalastes. Die 60er Jahre waren gekennzeichnet durch steigende Auflagenzahlen und zunehmende Beliebtheit in der polnischen Bevölkerung, was zu einem großen Teil daran lag, dass Polityka sich nicht scheute auch kritische Themen anzusprechen und Kompromisse zu suchen. Polityka verfolgte die Themen der Zeit. Der schwerfällige Sozialismus der Partei und deren Kämpfe gegen die polnischen Intellektuellen wurden ebenso kritisch kommentiert wie die antisemitische Hetze von 1968 und die Danziger Arbeiterunruhen im Dezember 1970. Dies führte jedoch auch immer wieder zu Konflikten mit den kommunistischen Machthabern. Dennoch schaffte es Polityka, die Welle von Veröffentlichungsverboten, die im März 1968 gegen eine ganze Reihe von Zeitungen erhoben wurden, zu überstehen, stand ihr Bekenntnis zum Sozialismus doch außer Frage. Anfang der Siebzigerjahre lagen die Verkaufszahlen von Polityka bereits bei 300.000 und die Zeitung erfreute sich immer größer Beliebtheit. Die Situation des Magazins war zu diesem Zeitpunkt außergewöhnlich: Der neue Parteisekretär Edward Gierek übernahm in Polityka veröffentlichte Vorschläge, die Kirche betrachtete das Blatt als offene Institution und die intellektuelle Elite des Landes veröffentlichte dort ihre Artikel.
In den späten Siebzigern und vor allem in den Achtzigerjahren wuchs mit den zunehmenden Spannungen in der polnischen Gesellschaft jedoch auch der Konflikt innerhalb der Führungsspitze von Polityka. Als im Sommer 1976 Unruhen das Land erschütterten und die Grundsteine der späteren Solidarność gelegt wurden, nahm Polityka eine bequeme opportunistische Position ein und berichtete lieber über außenpolitische Themen, als über die innerpolnischen Konflikte. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte war Zeitung nicht auf der Höhe der Zeit. Rakowski, der seit 1975 auch Mitglied des Zentralkomitees war, blieb den kommunistischen Machthabern weiterhin verbunden und so unterstützte Polityka in der zweiten Hälfte der Siebziger, als die wirtschaftliche Krise immer gravierendere Ausmaße annahm, weiterhin Gierek.
1980, im Jahr der Gründung der freien Gewerkschaft Solidarność, kam es zum offenen Bruch innerhalb von Polityka und zur wohl größten Krise in ihrer Geschichte. Wie gewohnt hatte die Zeitung im Konflikt eine neutrale Position eingenommen und versucht, zwischen den Fronten Kompromisse zu finden. Eine ganze Reihe von Journalisten verließ daraufhin aus Protest die Zeitung. Rakowski übernahm 1981 das Amt des Vizepremiers unter Jaruzelski (1988/89 war er sogar Ministerpräsident Polens) und war mitverantwortlich für die Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember des Jahres. Kurz darauf fielen 11 Redaktionsmitglieder dem staatlichen Ausschluss politisch nicht zuverlässiger Journalisten zum Opfer. Neuer Chefredakteur wurde, nachdem Rakowski endgültig der Zeitung den Rücken gekehrt hatte, 1982 Jan Bijak. Er übernahm die schwierige Aufgabe, für die mit der Zensur kämpfende Zeitung einen Ausweg aus der Krise von Partei und Wirtschaft zu suchen. Polityka nahm daraufhin im weiteren Verlauf der 80er Jahre eine immer kritischere Position gegenüber den Machthabern ein.
Nach der Niederlage des Sozialismus 1989 und der Einführung der freien Marktwirtschaft, musste sich auch Polityka den Bedingungen des freien Marktes anpassen. Die Zeitung erkannte die Chancen der neuen Zeit, warnte aber zugleich davor, dass der Weg lang und beschwerlich sein würde. Polityka selbst nutze die Chancen der neuen Zeit. Bereits 1990 verließ sie den staatlichen Pressebetrieb und gründete eine eigene unabhängige Kooperation. 1994 übernahm Jerzy Baczyński die Position des Chefredakteurs und hat diese bis heute inne. 1995 erschien die erste farbige Ausgabe der Zeitung. Heute zählt die links-liberale Zeitung mit ca. 150.000 verkauften Exemplaren und zwei Millionen Lesern zu den größten und einflussreichsten Zeitungen Polens.
Seit 1993 vergibt die Wochenzeitung in mehreren Sparten (u. a. Literatur, Musik, Film, Theater) den renommierten Preis „Paszport Polityki“. Seit 2001 unterstützt Polityka mit dem Stipendienprogramm „Zostańcie z nami!“ (Bleibt bei uns!) junge Nachwuchsforscher. Bisher wurden rund eine Millionen Euro an 140 Wissenschaftler ausgezahlt.
Von November 2008 bis Ende 2012 erschien freitags auf der Website der Stiftung für deutsch-polnische Zusammearbeit im Portal Point in der Rubrik „Polityka auf Deutsch“ ein Artikel aus der aktuellen Nummer des Wochenmagazins in deutscher Übersetzung. Die Texte beleuchteten die deutsch-polnischen Beziehungen, wichtige historische Themen oder neue gesellschaftliche Entwicklungen in Polen. Die Rubrik konnte auch als wöchentlicher Newsletter abonniert werden.
(07.10.2012 | Copyright: Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit 2012)