Der erste Privatfernsehsender Polens war Sky Orunia. Er sendete von 1989 bis 1996 in Danzig und Umgebung. Der Sitz befand sich im Danziger Bezirk Orunia – daher der Name des Senders. Die Programme wurden gesendet, ohne sich dabei an Autorenrechte zu halten, und ohne Lizenz, aber mit Erlaubnis des damaligen Präsidenten der Stadt Danzig. Es wurden Reportagen aus dem Bezirk, Zeichentrickfilme für Kinder, Messen und abends Erfolgsfilme aus einer befreundeten Videothek gesendet. 1994 erhielt Sky Orunia vom Landesrat für Rundfunk und Fernsehen eine Lizenz und konnte sein Sendegebiet auf Dreistadt (Danzig, Gdingen, Zoppot) erweitern.

Der erste, der Polen als einen Ort für gute Fernsehgeschäfte erkannte, war der Sarde Nicola Grauso. Auf Sardinien hatte er in den Siebzigerjahren ein Netz von Piratensendern gegründet und den dortigen Markt monopolisiert. Als man in Italien mit der Zuteilung von Lizenzen begann, wagten die Behörden nicht, sie dem Piraten zu verweigern. Offenkundig rechnete Grauso damit, dass sich dasselbe Szenario in Polen wiederholen würde. Am Anfang kaufte er im November 1990 den Breslauer Sender TV Echo. Später kamen PTV Rondo in Katowice, PTV Morze in Stettin, PTV Krater in Krakau und einige andere Lokalsender hinzu. Formal besaß er an jedem der insgesamt 13 Sender nur 33 Prozent der Anteile. Zur Fiktion wurde bald auch ihr Lokalstatus. Zur Prime-Time strahlten alle Sender dasselbe, von Grausos Gesellschaft Polonia 1 produzierte Programm aus. Dank diesem Umstand konnte der Sarde tatsächlich anfangen, mit Werbung Geld zu verdienen.

Den eigentlichen Startschuss für das Privatfernsehen in Polen markiert aber der Sendebeginn von Polsat am 5. Dezember 1992. Die aufgezeichneten Sendungen wurden eigens aus Polen in die Niederlande geflogen, da von dort das Programm über den Satelliten Eutelsat II ausgestrahlt werden musste, weil der Sender in Polen über keine Lizenz verfügte. Während Grausos Medienholding Polcast Television (Polonia 1, Tele 5, Top Shop) heutzutage kaum noch eine Rolle spielt, ist Zygmunt Solorz-Żaks Polsat heute der erfolgreichste Privatsender Polens.

Als im Jahr 1993 der neu gebildete Landesrat für Rundfunk und Fernsehen den ersten Wettbewerb für eine einzige landesweite Fernseh-, zwei Rundfunk- und mehrere lokale Lizenzen ausschrieb, fühlte sich Nicola Grauso als Favorit im Rennen. Außer Grauso bewarben sich damals neun andere Kandidaten um eine Fernsehlizenz, u. a. Mariusz Walter, neben Solorz-Żak der einzige polnische Mitbewerber, der wirklich in der Lage war, Fernsehen zu machen. Hinter den anderen Bewerbern stand ausländisches Kapital. So waren die stillen Teilhaber von ITI (Jan Wejchert und Mariusz Walter) amerikanische Kapitalgeber. Der Konzern Time Warner wiederum und der polnische Geschäftsmann Kotarba standen hinter dem Bewerber Antena 1. Jacek Żelezik (Top Canal) fand Kapitalunterstützung in Schweden und das Unabhängige Polnische Fernsehen von Mirosław Chojecki in den USA und in Frankreich.

Keinen ausländischen Teilhaber hatten lediglich die Franziskanerpater (als Nachweis für ihre finanziellen Möglichkeiten gaben sie eine Erklärung ab über die Verpfändung des Klosterkomplexes als Sicherheit für einen Kredit zum Aufbau von Telewizja Niepokalanów – heute TV Puls) und Zygmunt Solorz-Żak, der das Rennen machte und die Lizenz erhielt. Sein Fernsehsender Polsat, der ab März 1994 sein Programm in Polen terrestrisch ausstrahlte, erwarb sich rasch den Ruf, schlicht gestrickt zu sein. Polsat, das schnell den Massengeschmack traf, machte Solorz zum reichsten Polen.

Der KRRiT verteilte ein Jahr später für Süd-, Zentral- und Nordpolen noch drei überregionale Fernsehlizenzen. Bei der zweiten Vergabe erhielt ITI eine Sendelizenz in Warschau, Łódź und im Norden des Landes und übernahm 1995 zudem den südpolnischen Sender Telewizja Wisła. Der Coup des Duos Wejchert/Walter ist die Geburtsstunde von TVN, das zwei Jahre später, am 3. Oktober 1997, seinen polenweiten Sendebetrieb aufnahm. Vier Jahre darauf, am 9. August 2001, ging mit TVN24 der erste 24-Stunden-Nachrichtenkanal Polens auf Sendung. Solorz-Żak Antwort, Polsat News, startete erst am 7. Juni 2008.

Gut zwanzig Jahre nach dem Start des Privatfernsehens sieht der Markt der elektronischen Medien in Polen bereits völlig anders aus. Mit dem EU-Beitritt Polens verschwand z. B. die Möglichkeit, den Verkauf von Anteilen an Investoren aus der Europäischen Union zu begrenzen. Als Resultat kam es in den letzten Jahren zu vielen grundlegenden Veränderungen der Eigentumsverhältnisse. Die nächste radikale Neueinrichtung des Marktes wird laut Experten nach 2013 erfolgen, zusammen mit der Digitalisierung des Fernsehens.


(27.08.2012, Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit)